„Maschinenethik“ (Teil II): Der Wandel des Menschenbildes

Wie oben beschrieben wollen die Anhänger der „Maschinenethik“ in Geräten und in der Software menschenähnliches reflexionsfähiges Bewusstsein entdeckt haben. Diese Annahme fußt auf einer Voraussetzung, die es dringend zu hinterfragen gilt. Wenn Maschinen Ethik und Bewusstsein besitzen, welches Verständnis von Ethik und Bewusstsein wird dabei zugrunde gelegt?

Wir kennen dieses Phänomen aus der Verbindung von Robotik-Entwicklung und Kinderpsychologie bzw. Kinderpädagogik. Die Forschungsteams, die menschenähnlichen (humanoiden) Robotern Bewegungen beibringen, greifen dabei auf biografisch-soziale Lernprozesse von Kleinkindern zurück. Wie lernen Kinder? Wie greifen und tasten sie? Wie wiederholen sie Bewegungen? Bei diesem Ansatz reduzieren die Robotik-Teams die Verhaltensmuster der Kleinkinder, um die abstrahierten Vorgänge technisch nachbilden zu können. Damit Roboter „lernen“ können, muss das Verhalten eines Kindes vereinfacht und reduziert werden. Solange sich alle Beteiligten darüber im Klaren sind und wissen, dass das tatsächliche und wirkliche  Verhalten von Kindern viel komplexer ist, besteht kein Risiko für Ideologisierungen.

Die Debatte um „Maschinenethik“ ist mit der Adaption des Verhaltens von Kindern zur Implementierung in Roboter methodisch vergleichbar. Zugespitzt formuliert bedeutet dies: Um in einem mathematisierten Software-Haufen „Bewusstsein“ zu entdecken, muss das Verständnis von Bewusstsein so heruntergefahren und reduziert werden, dass es technisch nachbildbar wird. Hinter der Frage, ob Maschinen eine Ethik und eine  Moral besitzen können, verbirgt sich die gravierende Frage, wie sich das Menschenbild und das Humanum anpassen müssen, um für solch eine „Maschinenethik“ passend zu sein.

Ein gewisser Teil derjenigen, die sich diesem Typ der „Maschinenethik“ verschrieben haben, arbeitet nicht an der Maschine oder an der Software sondern am Wandel des Menschenbildes. Die exzessivste Form davon stellen die „Transhumanisten“ dar, die unter dem Vorwand der biologischen Evolution die Verknüpfung von Organischem und Digitalem anstreben. Letztlich soll das ewige Leben dadurch erreicht werden, dass ein digitalisiertes menschliches Gehirn mit Bewusstsein in einer Hardware fort“lebt“.
In der Bundesrepublik haben bestimmte „Ethiker“ extra eine Partei gegründet. Ihre – vor allem männlichen – Vertreter versuchen, über vorhandene hiesige Organisationen und über honorige Stiftungen ihre ideologisierten, teilweise aus den USA kopierten Konzepte zu verbreiten.

Einige der amerikanischen Transhumanisten setzen für das Menschenbild der Zukunft drei zentrale Begriffe: männlich, weiß, digital. Dieser Typ von „Maschinenethik“ revidiert das Menschenbild der UN-Charta der Menschenrechte.

 

Es geht um die „Demokratisierung des Back-Ends“

Wer sich durch die aktuellen IT-Messen, Robotik-Ausstellungen, durch CeBITs und Hannover Messen bewegt, stößt auf sie. Wer sich mit den bunten Werbebroschüren einschlägiger Interessenverbände beschäftigt, kommt um das Schlagwort kaum herum. Wer sich im Netz auf Youtube mit dem vermeintlichen „Industrie 4.0“ auseinandersetzt, konfrontiert sich mit dem Begriff „Autonome Systeme“. In einem großen Schlagwort-Püree werden Digitalisierung, Virtualisierung, Künstliche Intelligenz (KI), Industrie 4.0, Arbeit 4.0, Robotik, Big Data, selbstfahrende Autos zu einem großen Gemisch zusammengerührt, das weder ermutigt, noch aufklärt, eher verklärt und eher irritiert. Der Satz „Alles hängt mit allem zusammen“ ist seit der Genesis (christliche Schöpfungserklärung) richtig und bringt daher keine weitere Erkenntnis.

Für viele Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben, die das obige Gemisch aus der Perspektive der Arbeitswelt zu entwirren suchen, verbindet sich die Bezeichnung „Autonome Systeme“ mit Bildern von selbstlaufenden aufrechten Robotern, mit fahrerlosen Fahrzeugen oder mit selbstfahrenden Transportsystemen zur Anlieferung von Montagebauteilen. Kein Wunder: Wir sind es gewohnt, zunächst an Gegenständliches, an Physisch-Materielles zu denken. Wir sehen Hardware. Wir wollen anfassen.

Doch genau hier liegt eine der schwierigsten Herausforderungen im Wandel der Arbeitswelt. Die strategische Bedeutung der Bezeichnung „Autonome Systeme“ liegt nicht zuallererst in dem, was wir sehen und greifen können, sondern in dem, was nicht-materiell und im umgangssprachlichen Sinne „unsichtbar“ ist. Es ist die Software. Es sind insbesondere die Phänomene der „Autonomen Software-Systeme“ (ASS), der „selbstlernenden“ und „selbstentscheidenden“ Softwarelösungen, der Softwareanwendungen mit automatisierendem Vollzug in Verknüpfung mit „Cyber-Physischen Systemen“ (CPS).

Wir sind es gewohnt, vom sichtbaren mobilen oder nicht-mobilen Endgerät her zu denken, von der Displayfläche der Hardware. „Autonome Software-Systeme“ wirken aber – bildlich gesprochen – „hinter dem Bildschirm“, hinter dem Display. Statt uns auf das „Front-End“ zu konzentrieren, müssen wir uns besser im Gelände des „Back-End“ umsehen und dieses offensiv gestalten. Die Zukunft der Arbeit wird im „Back-End“ entschieden nicht im „Front-End“.

Die Verbesserung der Geräte-Nutzbarkeit, die Usability, die Ergonomie und die gesunde Handhabbarkeit sind zweifellos wichtig und dürfen nicht unterschätzt werden. Aber genauso wichtig ist die immer stärker zunehmende Kraft der Software, die faktisch Arbeitsabläufe und Geschäftsprozesse zu strukturieren und zu steuern versucht.
Es muss uns um die „Demokratisierung des Back-End“ (Schröter) und um die Demokratisierung der Prinzipien und generischen Kriterien für Algorithmen gehen. Wir benötigen offene interdisziplinäre Diskurse und Gestaltungskompetenz für die Idee des generisch (in seinen Grundsätzen) „mitbestimmten Algorithmus“ (Schröter).

In diesem Sinne muss den schon in der Arbeitswelt praktisch angekommenen Phänomenen der „Autonomen Software-Systemen“ (ASS) unsere wachsende und immer größer werdende Aufmerksamkeit gelten.

 

Robotik hinter der Robotik

Die Geschichte der Robotik, ihre darin enthaltenen Hoffnungen und Befürchtungen, reicht weit zurück. Vor mehr als 200 Jahren wurde erstmals ein technischer Versuch unternommen, einen Roboter zu bauen. Es war eine Tiernachbildung. Unser aktuelles Verständnis wurde vor allem von Zukunftsszenarien geprägt, die schon in den 1920iger Jahren davon sprachen, dass menschenähnliche Roboterfiguren die Herrschaft an sich reißen. 1968 brachte Hollywood den Roboter HAL auf die Leinwand, der eigensinnig dem Menschen seinen Willen aufdrängen wollte. Doch diese Sichten decken sich nicht mit den derzeitigen Realitäten.

Heute sind in den Unternehmen noch sogenannte „Assistenzsysteme“ vorherrschend. Sie sind in der Regel „festgeschraubt“ und vollziehen begrenzte, immer wiederkehrende Bewegungen. Man denke an Lackier-Roboter, die einarmig Karosserieteile mit Farbe besprühen. Sie werden mittels Software auf unterschiedliche Formungen ausgerichtet, aber der Lackiervorgang bleibt weitgehend unverändert.

Eine ganz andere Welt bilden dagegen die Versuche, menschenähnliche (humanoide) Roboter herzustellen. Deren Herausforderungen liegen vordergründig in der Frage, ob diese eine menschenähnliche Gestalt, also ein Gesicht, erhalten sollen. Je mehr der Roboter über ein Gesicht verfügt, umso eher ist der arbeitende Mensch geneigt, der Maschine die Fähigkeiten, Denken und Fühlen zu können, zuzuschreiben.

Für die Robotikforschung heute gilt vermehrt die Frage, ob es gelingt, der humanoiden Robotik „Kommunikation“, „Mimik“, „Gestik“ und „Eigenkommunikation“sfähigkeiten beizubringen bzw. anzutrainieren. Hier ist die Entwicklung zwar fortgeschritten, aber dennoch in den Kinderschuhen.

Anders sieht es aus, wenn einarmige oder zweiarmige Assistenzroboter sowie Ansätze humanoider Robotik mit digitalen Plattformen und Clouds verknüpft werden. Dadurch wird es möglich, das „Lernen“ und Steuern des Roboters über das Netz zu beschleunigen. Dann übernehmen „intelligente“ Software-Lösungen die Federführung. Die „blecherne Figur“ wird zum Anhängsel.

Die Zukunft der Robotik liegt vor allem in der Software.

 

Studierende üben im Hochschulseminar die Praxis der Mitbestimmung im Betrieb

Es war ein Experiment und es ist gelungen! An der „Hochschule Aalen – Technik und Wirtschaft“ wurde in Kooperation mit dem Forum Soziale Technikgestaltung (FST) das Studienangebot „Technische Redaktion“ um ein Blockseminar erweitert, das Studierenden Praxiserfahrungen im Umgang mit Betriebsräten und Mitbestimmungsprozessen bei der Einführung neuer Technologien im Betrieb aufzeigen konnte. Vierzehn Studierende befassten sich in mehreren Terminen mit Fragen der betrieblichen Mitbestimmung, mit der Bedeutung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sowie mit dem Thema „digitale Transformation“ („Arbeit 4.0“). Vor allem sollte vermittelt werden, wie sich ein Betriebsratsgremium bei der Einführung bisher unbekannter Neuerungen verhält.

Welche Aufgaben hat es, worauf will es achten, wie drückt es seine Interessen aus? Ein langjähriger Betriebsrat eines Großunternehmens schilderte seinen einschlägigen Alltag. Am Ende des Seminars absolvierten die vierzehn Studierenden ein sozialpartnerschaftliches Planspiel als Prüfungsleistung. Dazu hatten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen der ihren zum Regieleiter gewählt. Er konzipierte entsprechend der Erkenntnisse aus dem Seminar ein Szenario, in dem ein Mitbestimmungsvorgang in verteilten Rollen und Interessen durch„gespielt“ werden konnte. In einem Unternehmen sollen humanoide Roboter eingeführt werden. Mit welchen Argumenten und Schachzügen schaffen es Geschäftsleitung und Betriebsrat schrittweise eine gemeinsame Betriebsvereinbarung zu erarbeiten, die den Beschäftigten ausreichenden Schutz bietet. Das knapp 90-minütige Planspiel wurde von den Studierenden selbstständig in verschiedenen Rollen „besetzt“: Geschäftsleitung, IT-Abteilung, Arbeitsschutzbeauftragte, Datenschutzbeauftragter, Betriebsrat und Beschäftigte traten vorbereitet auf und für ihre Rolleninteressen ein.

Auch im kommenden Sommersemester 2017 wird es in Zusammenarbeit mit dem FST für Studierende wieder ein Blockseminar zur Technikgestaltung und zur Rolle des Betriebsrates bei der Einführung neuer Technologien im Betrieb geben.

In vielen Betrieben: Nachholende Digitalisierung

Mindestens seit 1995 lässt sich in der hiesigen Wirtschaft, in Produktion und Dienstleistung von einer beginnenden strukturierten Digitalisierung der Arbeitswelt und der Geschäftsprozesse sprechen. Was einst in den Neunzigern als „Multimedia“ und „Web 2.0“, „E-Commerce“ oder „E-Business“, „E-Working“ und „E-Procurement“ durch die Betriebe zog, erscheint heute vielmals unter dem Label „Vier Null“ als faktisch alter Stoff in neuer Verpackung.

Da führen Unternehmen das Wort vom „Internet der Dinge“ („Internet of Things“) per Pressemitteilung ein und bemerken gar nicht, dass das „IoT“ selbst schon fast zehn Jahre alt ist. Da kommen Geschäftsführer engagiert auf Betriebsräte zu und kündigen an, dass die Firma jetzt ganz vorne mitwirkt, in dem sie Tablets, Smartphones und eine E-Learning-Plattform sowie eine Wissensdatenbank einführen. Letzteres ist Fünfzehn Jahre alt! Da werden Sensoren und Aktoren, Nano- und Mikrotechnik als topmodern bemüht und vergessen, dass die digitalen Sensorchips am Gegenstand alias „RFID“ alias „Bluetooth Tag“ schon seit Jahren auf den Paletten fixiert waren. Ihre renovierte Gestalt in Form der frühen Cyber Physical Systems CPS wird als ganz neu gehandelt. Unternehmensberater schwärmen vom innovativen Typ des mobilen Arbeitens, doch sie übersehen, dass vieles davon unter dem Namen „alternierende Telearbeit“ bereits vor der Jahrtausendwende Alltag im Betrieb war.

Das Thema „Arbeit 4.0“ ist ein sehr wichtiges Thema. Betriebsräte, Vertrauensleute und Gewerkschaft sind bei der sozialen Gestaltung der „digitalen Transformation“ vorne dabei. Doch den zahlreichen Onlinekommentatoren aus Wirtschaft und Technik sei nahe gelegt, fundierter zu argumentieren, wenn sie von Umsetzungen à la „Industrie 4.0“ berichten. Nicht selten handelt es sich in den Betrieben vor Ort um eine Art der nachholenden Digitalisierung: Unter der Überschrift „Vier Null“ werden technische, organisatorische und infrastrukturelle Neuerungen beschrieben, die in Wirklichkeit die Einlösung vergangener Versprechungen und die Kompensation zurückliegender Versäumnisse darstellen.

Es gilt daher, seriös zu unterscheiden, was gibt es an wertvollen soziotechnischen Innovationen (zum Beispiel autonome virtuelle Systeme in Echtzeit, selbstlernende CPS, flexible horizontale Wertschöpfungsketten oder cloudbasierte Verknüpfungen von Robotik-Einheiten), die tatsächlich neu sind, und was wird dagegen als neue Anwendung ausgegeben, um Unterlassenes zu kaschieren.

Nachholende Digitalisierung ist wichtig. Keine Frage. Sie ist die Voraussetzung für weitergehende Schritte. Aber sie ist noch nicht der weitergehende Schritt. Wir benötigen einen freien Blick auf das wirklich vorne Befindliche.

 

Eindrücke von der Hannover Messe (I): Der Traum der „Matrix Production“

Schon gehört vom neuen Konzept der „Matrix Production“? In Halle 17 der Hannover Messe 2016 offerierten Frauen und Männer aus den Ingenieur- und Informatik-Szenen der Maschinenhersteller ihren neuesten Techniktraum.

Den Kern bilden kleine flexibel konfigurierbare Produktionszellen. Jede Produktionszelle besteht aus vier „einarmigen“ Klein-Robotern. Mehrere Dutzend dieser Produktionszellen werden wie ein großes mathematisches Carrée – oder auch „Raster“ – in einer Werkhalle hintereinander in parallelen Reihen aufgestellt. Die Anzahl der Produktionszellen schwankt nach Bedarf, nach Auftragslage. Die „Matrix“ atmet.

Die Planer dieser Anlage beschreiben sie nüchtern und scheinbar neutral: „Alle Zellen sind mit prozessneutralem Equipment und typenneutraler Grundfunktionalität ausgestattet.“ Die Zellen sind „über eine frei programmierbare Bauteillogistik miteinander verkettet“. Das Ziel: „Skalierbarkeit in Variantenvielfalt“, „Modularität“ und „Typenflexibilität“.

Zwischen den Produktionszellen bewegen sich autonome, sich selbst steuernde Fahrzeuge, sogenannte mobile Transportroboter (Automated Guided Vehicles AGVs). Die vernetzten Produktionseinheiten werden als Cyber Physical Production System CPPS verstanden. Menschen sind in dieser „Matrix Production“ nicht vorgesehen.

Mit Hilfe virtualisierender Brillen kann sich der Mensch in die Matrix hineinbegeben, um entweder den Robotern und den „AGVs“ bei der Arbeit zuzuschauen, oder aber, um eventuelle Störungen im Ablauf oder im Transport nicht nur am Cockpit zu verfolgen sondern auch sich diese dreidimensional per intelligenter Sehhilfe veranschaulichen zu lassen.

Die Wucht der „Matrix Production“ entsteht weniger über die Beantwortung der Frage, ob diese Matrix-Organisation der Humanisierung der Arbeitswelt nachkommt, als vielmehr in der inneren Flexibilität der Zellenanordnung. Man könnte die Matrix zunächst verstehen als Produktionsanlage für typenmäßig gleiche Montagebauteile, die je nach Kundenauftrag spezifiziert werden. Die Masse der Produktionszellen lässt somit massenhafte „Losgrößen Eins“ fertigen. Dies wäre die Perspektive der unternehmensinternen flexiblen vertikalen Wertschöpfungskette.

Einen deutlich anderen Charakter erfährt das „Matrix“-Szenario, wenn man versteht, dass jede Produktionszelle einem völlig anderen Auftrag folgen kann. Die „Matrix-Production“ bildet dann einen Baustein neuer Infrastrukturen für flexible horizontale Wertschöpfungsketten.

Das könnte zu dem ungewöhnlichen Gedanken verleiten, jede Produktionszelle repräsentiere einen eigenständigen Auftrag bzw. Geschäftsprozess. Der Matrix-Betreiber wäre dann lediglich eine Art Facility Manager, der externen Akteuren (Dienstleistern) Produktionszellen vermietet.

Die flexible Konfigurierbarkeit als unternehmensinterne vertikale oder aber als unternehmensübergreifende horizontale Wertschöpfungskette gibt dieser potenziellen Vier-Null-Matrix eine unerhört starke Wirkungskraft. Dem Entwicklungsteam gilt wegen seiner softwaretechnischen Leistung zweifellos Respekt.

Doch der Traum des Teams ist in sich widersprüchlich: Oberflächlich betrachtet erinnert die „Matrix Production“ an das gescheiterte Konzept der menschenleeren Fabrik, an die „CIM“-Träume (Computer Integrated Manufacturing) der achtziger und neunziger Jahre. Der technikzentrierte Ansatz berücksichtigt nicht die große Bedeutung des intuitiven Erfahrungswissens der Mitarbeiter/innen. Ohne diesen „weichen“ Aspekt wird „Matrix“ nicht nachhaltig ans Ziel kommen können.

Selbstironisch inszenierte das Team auch gleich eine andere Produktionszelle: Zwei einarmige Roboter schenken den Besuchern Bier ein. Der eine Roboter hebt die Flasche an, öffnet sie und gießt den Inhalt in das Glas, das der zweite Roboter erst kurz zuvor spült, um es dann seinem „Kollegen“ zum Füllen hinzuhalten und um es im Anschluss dem durstigen sprachlosen natürlichen Betrachter hinüberzureichen.

Eindrücke von der Hannover Messe (II): Der Traum der globalen Cobot-Cloud

Im Jahr 2015 präsentierten zwei einzelne, einschlägig bekannte Robotik-Hersteller auf der Hannover Messe ihre Neuheiten der „Collaboration Robots“, genannt „Cobots“. Ein Unternehmen stellte damals den weltweit ersten zweiarmigen Leichtmetall-Roboter vor. Das innovative Gerät passt auf jeden Schreibtisch und kann den Menschen kaum verletzen, denn der Exponent der „weichen Robotik“ bleibt bei Berührung eines menschlichen Körperteils automatisch stehen. Parallel zeigte ein Wettbewerber seine Kooperation mit einem internationalen Software-Konzern. Der einarmige Leichtmetall-Roboter dieser Produktlinie wird mit Hilfe amerikanischer Software gesteuert.

Im Jahr 2016 haben zahlreiche andere Robotik-Innovateure nun das Prinzip der „weichen Robotik“ reihenweise kopiert. Bekannte und in Europa weniger bekannte Cobots-Entwickler setzen auf eine neue Kultur der Kollaboration zwischen Mensch und „weichem“ Roboter. Eine renommierte Firma überraschte mit einem konzeptionell einsetzbaren „intelligenten“ Cobot, der per visueller Gestik (Sichtkontakt) in seinen Bewegungen geführt wird. Das Konzept erlaubt flexible Konfigurationen mehrerer Cobots, die jeweils aufeinander folgende Aufgaben ausführen können. Die Produkt-„Philosophie“ setzt dabei auf die zentrale Rolle des Menschen und die flexible Assistenz der Maschine.

Beeindruckend ist der globale Ansatz eines europäisch-chinesischen Großkonsortiums zum Aufbau und zur gleichzeitig vorausschauenden Besetzung des weltweiten Marktes für Robotik-Fernanwendungen. Nicht der einzelne Cobot oder eine Gruppe davon wirken dabei im Vordergrund, sondern eine herausfordernde Strategie des Zusammenwachsens (Konvergenz) der Cloud-Welt mit der Cobot-Welt.

In einer Wertschöpfungskooperation von mehreren Hard- und Software-Partnern soll dabei die Remote-Steuerung global verteilter Robotik-Produktionszellen mit Hilfe chinesischer Cloud-Technik erfolgen. Auf diese Weise entsteht nicht nur eine flexible Infrastruktur für dezentrale horizontale Wertschöpfungsketten, sondern dadurch wird zugleich eine marktstarke technische Cloud-Infrastruktur für eine neue Generation des „Internets der Dinge“ („Internet of Things“ IoT) geschaffen: Die Cloud, die selbstgesteuerte Roboter einander ins Gespräch bringt.

Der Traum der „Cobot-Cloud“ hat seine Verwirklichungsschwelle erreicht.

Im Gestaltungsdialog mit dem Fachkräftenachwuchs (III)

Wie kommt das Wissen über betriebliche Mitbestimmung im Umfeld der Debatte um „Arbeit 4.0“ in die Technik-Ausbildung von Studierenden an einer Hochschule? Einen Weg der Lösung beschreitet derzeit die Hochschule für Technik und Wirtschaft in Aalen. Dort wurde das gewerkschaftliche Forum Soziale Technikgestaltung FST für einen Lehrauftrag im Bereich „Technische Redaktion“ gewonnen. Im Rahmen eines mehrteiligen Blockseminars transferiert das FST theoretisches und praktisches Wissen darüber, wie die Mitbestimmung in der Praxis aussieht.  

Neben rechtlichen, sozialen und politischen Eckpunkten des Betriebsverfassungsgesetzes sowie verwandter rechtlicher Rahmenbedingungen greift der Lehrauftrag auch Aspekte der sozialen Technikgestaltung auf. Dazu zählen die Themen „Prävention 4.0“, Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie das Menschenbild in der Robotikentwicklung.

Als besonderen Gast mit weitreichenden Erfahrungen konnten die Studierenden einen langjährig tätigen Betriebsrat eines großen IT-Konzerns begrüßen. Er schilderte das Innenleben der Mitbestimmung, ihre Chancen und Grenzen sowie ihre Herausforderungen im Rahmen der „digitalen Transformation“ der Betriebe und Unternehmen. Für die Studierenden war der Dialog eine hilfreiche Erweiterung ihrer Studieninhalte.

Fünf Thesen zur Zukunft der Arbeit und zur sozialen Gestaltung von „Industrie 4.0“

These 1 Eine neue Anordnung bestehender Technologien

Seit längerem diskutieren Betriebsräte, Vertrauensleute, Beschäftigte in und mit der IG Metall sowie in Partnernetzwerken über die Chancen und Auswirkungen des Wandels der Arbeit hin zu „Industrie 4.0“. Dabei fließen unterschiedliche Erfahrungen und Gewichtungen in die Debatte ein. Die nachfolgenden Thesen versuchen den Diskussionsverlauf zu strukturieren. Die Thesen laden zu Kommentierungen, Widerspruch, Zustimmung und Weiterentwicklung ein.

Was ist neu an „Industrie 4.0“ bzw. „Arbeit 4.0“? Als neue Qualität lässt sich eine Bündelung von mehreren Faktoren benennen:

Seit mehr als zwei Jahrzehnten werden Arbeits- und Geschäftsabläufe von der Papierwelt in die Netzwelt übertragen, werden Maschinen mit Datensteuerung „intelligent“ gemacht und Produktionsprozesse kundenorientiert ausgerichtet. Der Übergang ins Netz (Digitalisierung) und die Organisation von Prozessabläufen im Netz (Virtualisierung) gelangen durch die technischen Verbesserungen in den Bereichen Softwareentwicklung, Speicherung und Breitbandnutzung immer optimaler. Unter „Industrie 4.0“ ist keine neue Technologie zu verstehen. Es handelt sich vielmehr um eine neue Anordnung und neue Kombination von technischen Bausteinen, die schon länger in Gebrauch sind. Das reicht vom Internet der Dinge über Cloud Computing bis hin zur menschenähnlichen Robotik. Diese Einzelbausteine müssen organisatorisch und technisch harmonisiert werden.

These 3 Gestaltung durch den Betriebsrat

Der Umbau zum vollständigen Erreichen eines ganzheitlich digitalen Wirtschaftens wird noch einige Zeit benötigen. Doch die ersten Schritte finden bereits jetzt in Form von noch isolierten Einzelprojekten in den Betrieben statt. Die Einführung flexibler mobiler Personalplanung, die Verwendung „intelligenter“ Brillen oder Handschuhe, die Nutzung von Datenchips in Materialteilen (CPS Cyber Physical Systems, RFID-Tags), die Hand-in-Hand-Arbeit von Mensch und humanoidem Roboter, die Anwendung von Cloud-Lösungen und komplexer Software, die den virtuellem Arbeitsraum automatisieren kann, können als Beispiele aktueller Praxis gelten. Bei der Einführung neuer technikgestützter Arbeitsabläufe sind Betriebsräte gefordert, mit bestehenden Mitbestimmungsmöglichkeiten gestaltend einzugreifen und mitzuwirken. Dabei stehen gängige Aspekte wie Arbeitsorganisation, Arbeitszeit, Erreichbarkeit und Verfügbarkeit, Arbeitsschutz, Gesundheitsprävention, Datenschutz, Technikgestaltung etc. zunächst im Vordergrund. Davon ausgehend beschleunigt sich der innere Umbau des Betriebes und der Wandel der Arbeitswelt hin zu „Arbeit 4.0“. Von hier aus nimmt die Entwicklung Fahrt auf in Richtung der komplexen, flexiblen Wertschöpfungsketten. Aus dem Blickwinkel der sozialen Gestaltung von „Industrie 4.0“ sollte es gelingen, sowohl mit der erfahrenen Haltung der Gegenwart wie auch zugleich mit dem vorausschauenden Blick des Jahres 2020 rückwärts auf das Heute zu handeln.