Gestaltungshilfen

Gestaltungshilfen des „Forum Soziale Technikgestaltung“: Zur Gestaltung der sogenannten „Künstlichen Intelligenz“ gibt es folgende bereitstehende Hilfen:

1) Ein „Mitbestimmungsplan“ als ergänzende Hilfe bei der Einführung sogenannter „Künstlicher Intelligenz“. (Es wird empfohlen, den „Mitbestimmungsplan“ farbig auszudrucken und farbig auf ein A3-Format zu vergrößern. Dieses kann an geeigneter Stelle an die Wand befestigt werden.)

2) Eine „Checkliste“ für die Einführung sogenannter „Künstlicher Intelligenz“.

3) Vierzig FST-Kriterien zur Gestaltung der sogenannten „KI“.

4) Vier Videofilme zum Thema „Wie gestalten wir die sogenannte ,Künstliche Intelligenz‘?“ (Screencasts: Powerpointfolien mit darüber gelegter Stimme)

„Wie gestalten wir die sogenannte ,Künstliche Intelligenz‘?“ (Teil 1) (Nachholende Digitalisierung, Assistenztechnik, Delegationstechnik, Gestaltungsansatz „Der mitbestimmte Algorithmus“).

„Wie gestalten wir die sogenannte ,Künstliche Intelligenz‘?“ (Teil 2) (Vierzig Kriterien aus dem FST zur Gestaltung algorithmischer Steuerungs- und Entscheidungssysteme).

„Wie gestalten wir die sogenannte ,Künstliche Intelligenz‘?“ (Teil 3) (Neue Gestaltungsimpulse, Format „Moderierte Spezifikationsdialoge“).

„Wie gestalten wir die sogenannte ,Künstliche Intelligenz‘?“ (Teil 4). (Handlungsempfehlungen für Beschäftigtenvertretungen (BR, PR, MAV), Fünf erste Schritte der Annäherung u.v.m.).

Die Vorträge sind frei zugänglich auf Youtube. Bitte überspringen Sie die lästigen Werbeeinblendungen.

5) Wissen kompakt aus dem FST auf der WebSite der Hans-Böckler-Stiftung: DER MITBESTIMMTE ALGORITHMUS (Themenmodul ist im Erscheinen)

6) Zehn „KARL-kurzimpulse“: Praxistipps in Alltagssprache und Handlungsempfehlungen in Videoform zur erfolgreichen Einführung sogenannter „Künstlicher Intelligenz“ – FST-Vorschläge an die jeweiligen Sozialpartner

kurzimpuls 01 (3:45 Min.). Ein Angebot für Sozialpartnerinnen und Sozialpartner in der mitbestimmten Arbeitswelt. Vorbemerkung und Übersicht über die KARL-Video-kurzimpulse.

kurzimpuls 02 (2:50 Min.). Was ist aus der Sicht der Arbeitswelt bei der kommenden Stufe der Digitalisierung wirklich neu?

kurzimpuls 03 (2:49 Min.). Warum wir unterscheiden sollten, was „Nachholende Digitalisierung“ darstellt und was darüber hinaus geht?

kurzimpuls 04 (2:16 Min.). Was ist unter dem Begriff der „Assistenztechnik“ zu verstehen?

kurzimpuls 05 (2:16 Min.). Was bedeutet „Delegationstechnik“?

kurzimpuls 06 (3:39 Min.). Was ist das Besondere an „sich selbst verändernder Delegationstechnik“?

kurzimpuls 07 (2:36 Min.). Die Einführung komplexer „Delegationstechnik“ benötigt neue Aushandlungsformate.

kurzimpuls 08 (2:19 Min.). „Moderierter Spezifikationsdialog“ – Was ist darunter zu verstehen?

kurzimpuls 09 (2:35 Min.). Eine wichtige Empfehlung: Erst Arbeitsabläufe verbessern, dann digitale Technik auswählen!

kurzimpuls 10 (7:45 Min.)
Praxistipps und Umsetzungshilfen für Sozialpartner zur gemeinsamen Einführung algorithmischer Systeme.

Die in kurzimpuls 10 enthaltenen Links sind zusätzlich hier als pdf-Datei verfügbar.

7) Vorträge zum Nachhören (FST-Audiodateien auf Youtube).

8) Audio-Datei für Neueinsteigende: „Warum die Einführung neuer Technologien auch neue Wege der Gestaltung und Mitbestimmung benötigt“ (28 Min.).

9) Längere Textbeiträge zum Nachlesen online

Preisgekrönte Rahmendienstvereinbarung zum Thema Digitalisierung des Gesamtpersonalrates der Landeshauptstadt Stuttgart. Wortlaut 22 Seiten. Ermöglicht mit Unterstützung durch das „Forum Soziale Technikgestaltung“. Siehe Link zur Kurzbeschreibung.

Der mitbestimmte Algorithmus“ – Ein erweiternder Ansatz zur Gestaltung der sogenannten „Künstlichen Intelligenz“ (2021).

Gestaltungskompetenz für Betriebsräte im Spannungsverhältnis von Assistenz- und Delegationstechnik. Erfahrungen aus dreißig Jahren „Forum Soziale Technikgestaltung“ (2022).

Plädoyer für einen Perspektivwechsel im gewerkschaftlichen Gestaltungsdiskurs. Beitrag in der „Mitbestimmung“. (2018).

10) Zum Nachlesen nur in gedruckter Form

Welf Schröter (Hg.): Der mitbestimmte Algorithmus. Gestaltungskompetenz für den Wandel der Arbeit. 248 Seiten, 2019, ISBN 978-3-89376-181-4

Hinweise auf ältere Veröffentlichungen aus der Arbeit des FST.

Nachruf auf einen Freund humaner Informationstechnik

Im Alter von fast 92 Jahren ist Prof. Dr. Wolfgang Heilmann am 25. Juli 2022 gestorben. Noch bis zuletzt las er als Netzwerkteilnehmer die Rundbriefe des „Forum Soziale Technikgestaltung“ (FST). Er gehörte zu jenen, die sich engagiert für eine humane Gestaltung der Informationstechnik einsetzten. Noch als Unternehmer im damaligen Markt der Weiterbildung war er ein überzeugter Gegner von Betriebsräten und Gewerkschaften. Nach seinem Rückzug aus dem Tagesgeschäft gründete er die Integrata Stiftung. In den Jahren 1999 und 2000 kam es zu ersten Kooperationen zwischen seiner Stiftung und dem FST.

In der vom FST angestoßenen „Anwenderplattform Telearbeit Baden-Württemberg“ entstanden gemeinsame Impulse zu einer sozialen Gestaltung alternierender Telearbeit und Telekooperation. Wolfgang Heilmann öffnete sich für die Perspektiven der gewerkschaftlichen Diskussionen zur Ausrichtung der Digitalisierungsprozesse auf die Humanisierung der Arbeitswelt. Kooperative Technikgestaltung, Aufbau von Gestaltungskompetenz auf Seiten der Führungskräfte wie auf Seiten der Beschäftigtenvertretungen sowie der menschliche Umgang mit Potenzialen algorithmischer Steuerungs- und Entscheidungssysteme waren gemeinsame Handlungsthemen zwischen dem FST und seiner Stiftung. Die Herausforderung des vom FST formulierten Formats „Moderierter Spezifikationsdialog“ gehörte zu seinen Interessensgebieten.

Wolfgang Heilmann hatte sich in den letzten mehr als zwanzig Jahren verändert. Der am 16. August 1930 Geborene schrieb einst über Ernst Bloch und las Sören Kierkegaard. Er war ein kluger Ratgeber und ernsthafter Diskutant. Im Frühjahr hatte er Überlegungen zum Umbau seiner Stiftung übermittelt.

Er wünschte sich eine engere Zusammenarbeit zwischen dem „Forum Soziale Technikgestaltung“ und der „Integrata-Stiftung für humane Nutzung der Informationstechnologie / KI“ auf dem Gebiet „Arbeit und Erwerb“. Bezugnehmend auf das Thema „Ethik und Künstliche Intelligenz“ schrieb er an das FST: „Es lebe die Humanitas.“

 

Der 100. Blog-Eintrag: Bringt die digitale Transformation eine Rückbildung oder eine Weiterentwicklung der Arbeitswelt?

Als vor rund fünfzig Jahren das einflussreiche Buch von Johannes Agnoli und Peter Brückner mit dem Titel „Die Transformation der Demokratie“ erschien, trug das Wort „Transformation“ etwas Warnendes und Bedrohliches in sich. Die Autoren analysierten die Geschichte der jungen Bundesrepublik Deutschland seit 1949. Dabei stellten sie eine Rückbildung und politisch gewollte Rückentwicklung („Involution“) der Demokratie fest. Deutlich wurde dies – so die Autoren – unter anderem an der Durchsetzung der Notstandsgesetze, wogegen die damalige außerparlamentarische Opposition laut protestierte.

Heute begegnet uns der Begriff „Transformation“ erneut, jedoch anders, diesmal als Verheißung, als „digitale Transformation“ von Wirtschaft, Arbeitswelt und Gesellschaft. Heute eröffnet der Begriff ein eher janusköpfiges Potenzial: Die digitale Transformation kann den Weg ebnen zu einer Ausweitung von Demokratie, sozialen Standards, Partizipation und Mitbestimmung oder aber zu deren gegenläufiger Tendenz. Auch die Rückbildungen von Demokratie und sozialen Standards sind denkbar.

Für viele Betriebsrätinnen und Betriebsräte gilt die digitale Transformation als Chance für eine Humanisierung der Arbeit und als Option für ein „Mehr Demokratie wagen“.

Neben der noch nicht aufgelösten Janusköpfigkeit zeigt der Transformations-Begriff noch eine weitere innere Spannung: Um den Prozess der digitalen Transformation nachvollziehbar und erklärbar zu machen, muss die Dynamik des Transformierens verlangsamt werden. Beteiligungsorientierte Demokratie benötigt Zeit. Verlangsamung aber beeinträchtigt – so die Stimmen der Arbeitgeber – die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und ihrer Produkte. Ein betriebsrätlich-gewerkschaftliches Handeln muss sich an der Lerngeschwindigkeit der Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder orientieren. Als vermeintliche „Avantgarde“ den Mitgliedern vorauszueilen und ihnen dabei zu enteilen, kann keine tragfähige Lösung sein.

Zugleich müssen sich Betriebsrätinnen und Betriebsräte aber auch von Geschwindigkeiten technikinduzierter Innovationsprozesse leiten lassen. Gestaltungskompetenz der Beschäftigtenvertretungen kann nicht bedeuten, den Technikeinführungen hinterher zu laufen. Die zunehmende Einführung „Autonomer Software-Systeme“ (ASS) in Wartungsprozessen, Instandhaltung, Personalmanagement, Logistik und Geschäftsprozesssteuerungen verlangt vom Gremium Betriebsrat die Kompetenz zu „vorausschauender Arbeitsgestaltung“. Die Gestaltung der ASS erfordert eine deutliche Beschleunigung des Handelns der Beschäftigtenvertretungen.

Für die Lernprozesse des Betriebsratsgremiums kann die Spannung zwischen Verlangsamung und Beschleunigung nicht nach einer Seite aufgehoben werden. Die Kunst besteht darin, die Spannung zwischen beiden Polen aufrecht zu erhalten. Das mag je nach Lage der Kontroverse belastend sein. Aber es ist die einzig vernünftige Möglichkeit, den Zusammenhalt zu wahren.

 

Schon wieder digital? Was ist neu am Neuen? Was ist alt am Neuen?

Wie schon mehrfach beschrieben, lässt sich die seit Anfang der neunziger Jahre vollziehende Digitalisierung der Arbeitswelt in mehrere Stufen gliedern. Eine solche Gliederung hilft beim Verständnis.

Zunächst aber sollte man sich von der Marketing-Oberfläche der vermeintlich „digitalen Revolution“ trennen, die jährlich irgendwo in der Republik von nicht ausreichend informierten Zeitgenossen ausgerufen wird. Betrachtet man die digitalen Schlagwort-Wellen mit etwas nüchternem Abstand, fällt eine wiederkehrende Flachheit auf. Was Anfang der 90iger Jahre als „Informatisierung“ lief, trug Mitte der neunziger Jahre den Namen „Multimedia“. Dieser Bezeichnung folgte die „Electronic“-Welle mit E-Commerce, E-Business, E-Government, E-Working etc. Kaum weitere fünf Jahre später war alles „smart“: Smart Work, Smart Factory, Smart Government etc. Ein weiteres halbes Jahrzehnt danach schäumte die Vier-Null-Welle durch das Land: Industrie 4.0, Arbeit 4.0, Bildung 4.0, Verwaltung 4.0 etc. Derzeit ist alles „KI“, also „Künstliche Intelligenz“. Mit einer kleinen Portion Humor lässt sich prophezeiten, dass danach alles „Neuro“ sein wird. Am Horizont wartet dann schon der Marketing-Schlager „Organic“.

Auffallend aber ist, dass in der Regel inhaltlich fast immer dasselbe angeboten wird: Mobiles Arbeiten, Smartphones, elektronische Lernwege, Internet der Dinge, angereicherte Realität, kluge Brillen, Prozesssteuerungen etc. Die strukturellen Zielsetzungen („Alles hängt mit allem zusammen.“) haben sich nur wenig entfaltet, dafür ist die Marketing-Umrahmung umso intensiver. Die Basistechnologen für diese Themen sind in der Regel zehn, fünfzehn oder gar zwanzig Jahre alt. Diese Technologien werden nun an vielen Orten mit Updates und Upgrades sowie mit ergänzten grafischen Oberflächen als vermeintlich neu implementiert. Die Anwenderinnen und Anwender empfinden diese alten Lösungen subjektiv als neu. Mit den tatsächlichen Herausforderungen hat dies wenig zu tun. Für diese Implementierung älterer Techniklinien gibt es schon zahlreiche ältere Betriebs- und Dienstvereinbarungen, die angepasst werden können.

Was aber ist wirklich neu? Wo ist derzeit technologisch „vorne“? Während im Forum Soziale Technikgestaltung die oben beschriebenen Abläufe eher als „nachholende Digitalisierung“ (Schröter) bezeichnet werden, lässt sich in einem bestimmten Teil der Software-Entwicklung der evolutionäre Bruch zum tatsächlich Neuen erkennen. Seit mindestens vier Jahrzehnten wächst die Zahl der software-technischen Werkzeuge. Ein wesentlicher großer Teil der bisherigen Software-Entwicklung ist im wohlwollend besten Sinne des Wortes „gute dumme Software“ (Schröter). Damit sind Werkzeuge gemeint, die sich durch ihren Gebrauch, ihre Anwendung nicht verändern (von immanenten Sicherheitsupdates und Antivirenimpulsen einmal abgesehen). Diese „gute dumme Software“ „lernt“ und „denkt“ nicht.

Teile der „Autonomen Software-Systeme“ (ASS) hingegen nehmen ständig neue Daten auf, „bewerten“ sie auf der Basis verankerter Spielregelanweisungen (Algorithmen) und kommen dadurch zu neuen Ergebnissen. Diese ASS verändern sich als Werkzeuge durch ihre Anwendungen. Die Gestaltung solcher sich selbstverändernder Werkzeuge benötigt eine andere soziale Gestaltungskompetenz als jene zur Formierung der „nachhaltigen Digitalisierung“ bzw. der „guten dummen Software“.

Diesen sich verändernden ASS wird nachgesagt, dass sie „lernen“, „denken“, „bewerten“, „entscheiden“ und „ausführen“. Natürlich denken und lernen sie nicht wirklich. Aber die darin enthaltende Mathematik ist so brillant, dass die Menschen vor dem Bildschirm sie als „denkend“ und „lernend“ empfinden. Auch hier sitzt – wie schon häufig erwähnt – das Problem vor dem Bildschirm.

Dieser Bruch, der dadurch charakterisiert wird, dass „Autonome Software-Systeme“ sich als Werkzeuge selbst verändern und dass die bisherige „Handlungsträgerschaft Mensch“ schrittweise zur „Handlungsträgerschaft ASS“ werden kann, bildet die soziale, ethische und technische Schlüsselherausforderung im aktuellen Verlauf der Digitalisierung. Wo dieser Bruch zu erkennen ist, ist vorne. Dort muss sich gewerkschaftliches Handeln bündeln und intervenieren.

 

Der mitbestimmte Algorithmus

Das Forum Soziale Technikgestaltung lädt zu einem neuen besonderen Dialog über soziale Technikgestaltung ein. Wir wollen einen ersten Teil-Diskurs zum Thema „Der mitbestimmte Algorithmus“ starten, der in der Zeit zwischen November 2018 und Juli 2019 konkrete Handlungsempfehlungen zur Gestaltung sogenannter „selbstlernender Systeme“ und „autonomer Software-Systeme“ erbringen soll.

Die Handlungsempfehlungen sollen Frauen und Männer in Betriebs- und Personalräten, in Vertrauensleutekörpern und in Belegschaften beim Umgang mit solchen Techniken unterstützen, die verbindliche Entscheidungen in Echtzeit treffen sollen. Der Diskurs geht von folgenden Annahmen aus:

„Selbstlernende Systeme“ und „Autonome Software-Systeme“ (ASS) können bei entsprechender Einführung rechtsverbindlich hinter dem Rücken des Menschen in Echtzeit handeln. Dabei geht die „Handlungsträgerschaft Mensch“ teilweise oder vollständig auf die „Handlungsträgerschaft Autonome Software-Systeme“ über. In mehreren Firmen und Dienstleistungszusammenhängen werden „ASS“ bereits eingeführt. Es ist davon auszugehen, dass derzeit diese „ASS“ zum Teil oder vollständig nach ihrer Implementierung nicht mehr oder nur mit sehr erheblichen Kosten gestaltbar sind. Gestaltung muss daher als „vorausschauende Arbeitsgestaltung“ vor der Indienstnahme von „ASS“ im Vorfeld sozial angepasst bzw. korrigiert werden.

Es geht für den FST-Diskurs darum, Anforderungen aus der Arbeitswelt direkt in der „Spielregel“ der Software, also im Algorithmus, zu verankern. Aus der bisherigen Praxis lässt sich als These ableiten, dass die Gestaltung von „ASS“ nicht allein mit Hilfe von Betriebsvereinbarungen, Dienstvereinbarungen, Tarifregelungen und Gesetzen sowie Verordnungen erfolgreich sein wird.

Um soziale Standards in der Welt der ASS regulativ menschenzentriert zugrunde legen zu können – so die FST-Annahme –, müssen die Anforderungen gerade auch direkt im Algorithmus eingebettet sein. Deshalb ist es erforderlich, grundsätzliche (generische) Kriterien für die Gestaltung demokratisierter und mitbestimmter Algorithmen zu erarbeiten. So lassen sich sozialinnovative vernetzte Algorithmen positiv für die Humanisierung der Arbeit und zum Schutz des Klimas im Sinne des Pariser UN-Abkommens anwenden.

Von keiner Kollegin, von keinem Kollegen wird erwartet, dass sie/er ein Informatikstudium aufnimmt. Unser Ziel ist es, konkrete erfahrungsgeleitete Anforderungen aus der Sicht der Arbeits- und Berufswelt, aus Arbeits- und Gesundheitsschutz, aus Daten- und Identitätsschutz, aus der Perspektive der Beschäftigungssicherung, der Arbeitszeitregelungen und der Mitbestimmung zu formulieren, die dann in den Dialog mit der IT-Szene (im folgenden Experten-Prozess, genannt „Spezifikation“) eingebracht werden.

Der FST-Diskurs soll aus einer virtuellen Arbeitsgruppe bestehen, die sich online austauscht, aus Präsenzarbeitstreffen (Workshops) und aus verschriftlichten Ergebnissen. Der Diskurs will das Undenkbare – nämlich die demokratische Gestaltung von Algorithmen – denken und Gestaltungswissen verfügbar machen.

 

Es geht um die „Demokratisierung des Back-Ends“

Wer sich durch die aktuellen IT-Messen, Robotik-Ausstellungen, durch CeBITs und Hannover Messen bewegt, stößt auf sie. Wer sich mit den bunten Werbebroschüren einschlägiger Interessenverbände beschäftigt, kommt um das Schlagwort kaum herum. Wer sich im Netz auf Youtube mit dem vermeintlichen „Industrie 4.0“ auseinandersetzt, konfrontiert sich mit dem Begriff „Autonome Systeme“. In einem großen Schlagwort-Püree werden Digitalisierung, Virtualisierung, Künstliche Intelligenz (KI), Industrie 4.0, Arbeit 4.0, Robotik, Big Data, selbstfahrende Autos zu einem großen Gemisch zusammengerührt, das weder ermutigt, noch aufklärt, eher verklärt und eher irritiert. Der Satz „Alles hängt mit allem zusammen“ ist seit der Genesis (christliche Schöpfungserklärung) richtig und bringt daher keine weitere Erkenntnis.

Für viele Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben, die das obige Gemisch aus der Perspektive der Arbeitswelt zu entwirren suchen, verbindet sich die Bezeichnung „Autonome Systeme“ mit Bildern von selbstlaufenden aufrechten Robotern, mit fahrerlosen Fahrzeugen oder mit selbstfahrenden Transportsystemen zur Anlieferung von Montagebauteilen. Kein Wunder: Wir sind es gewohnt, zunächst an Gegenständliches, an Physisch-Materielles zu denken. Wir sehen Hardware. Wir wollen anfassen.

Doch genau hier liegt eine der schwierigsten Herausforderungen im Wandel der Arbeitswelt. Die strategische Bedeutung der Bezeichnung „Autonome Systeme“ liegt nicht zuallererst in dem, was wir sehen und greifen können, sondern in dem, was nicht-materiell und im umgangssprachlichen Sinne „unsichtbar“ ist. Es ist die Software. Es sind insbesondere die Phänomene der „Autonomen Software-Systeme“ (ASS), der „selbstlernenden“ und „selbstentscheidenden“ Softwarelösungen, der Softwareanwendungen mit automatisierendem Vollzug in Verknüpfung mit „Cyber-Physischen Systemen“ (CPS).

Wir sind es gewohnt, vom sichtbaren mobilen oder nicht-mobilen Endgerät her zu denken, von der Displayfläche der Hardware. „Autonome Software-Systeme“ wirken aber – bildlich gesprochen – „hinter dem Bildschirm“, hinter dem Display. Statt uns auf das „Front-End“ zu konzentrieren, müssen wir uns besser im Gelände des „Back-End“ umsehen und dieses offensiv gestalten. Die Zukunft der Arbeit wird im „Back-End“ entschieden nicht im „Front-End“.

Die Verbesserung der Geräte-Nutzbarkeit, die Usability, die Ergonomie und die gesunde Handhabbarkeit sind zweifellos wichtig und dürfen nicht unterschätzt werden. Aber genauso wichtig ist die immer stärker zunehmende Kraft der Software, die faktisch Arbeitsabläufe und Geschäftsprozesse zu strukturieren und zu steuern versucht.
Es muss uns um die „Demokratisierung des Back-End“ (Schröter) und um die Demokratisierung der Prinzipien und generischen Kriterien für Algorithmen gehen. Wir benötigen offene interdisziplinäre Diskurse und Gestaltungskompetenz für die Idee des generisch (in seinen Grundsätzen) „mitbestimmten Algorithmus“ (Schröter).

In diesem Sinne muss den schon in der Arbeitswelt praktisch angekommenen Phänomenen der „Autonomen Software-Systemen“ (ASS) unsere wachsende und immer größer werdende Aufmerksamkeit gelten.

 

Gibt es eine „soziale Künstliche Intelligenz“?

Diese Frage stellte jüngst ein IBM-Betriebsrat auf einer gemeinsamen Veranstaltung des Betriebsräte-Netzwerkes ZIMT, der IG Metall Heidelberg und des Forum Soziale Technikgestaltung. Sollen wir die „KI“ eher verhindern oder besser einer Regulation unterwerfen? Der Kollege sprach Klartext: Man solle seine Kraft nicht dafür verwenden, Unvermeidbares zu verhindern, als vielmehr beobachten, verstehen, Folgen abschätzen, bewerten und dementsprechend ein verbindliches „Regelwerk“ aufbauen.
Entscheidend sei, dass man als Betriebsrätin und Betriebsrat, als Personalrätin und Personalrat im besten Sinne des Wortes „am Ball bleibt“: „Wir müssen verstehen, was möglich ist“, um gestalterisch handeln zu können.

Für die weitergehende Debatte über „Künstliche Intelligenz“ (KI) erscheint es ergänzend sinnvoll zu erkennen, dass es sich bei der momentanen öffentlichen Verwendung des Kürzels „KI“ – ähnlich wie bei der Nutzung des Begriffs „Industrie 4.0“ – um eine zumeist oberflächliche Marketing-Sprache handelt. Menschen mit wenigen Kenntnissen über „KI“ soll diese Technikverknüpfung als verzaubernde Welterlösungsformel vermittelt werden. Was Ende der 80iger Jahre die „Schlanke Produktion“ war, was Mitte der 90iger das Wort „Multimedia“ besagte, was ab 2011 die Marke „Industrie 4.0“ werden sollte, dies geschieht derzeit mit dem Begriff „Künstliche Intelligenz“.

Der Begriff wird wie eine Art Breitbandantibiotikum verkündet. „KI“ könne alles, mache alles und bestimme die Zukunft. Wohlmeinende Diskutanten verstärken diesen Trend, indem sie Horrorszenarien an die Wand malen und die Marketingwirkung verstärken. Die „KI“ übernehme die Herrschaft und vernichte 80 Prozent der Arbeitsplätze. Doch bei nüchterner Betrachtung befinden sich die im Alltag anwendbaren „KI“-Systeme – mit Ausnahme der bereits eingeführten bzw. in Einführung befindlichen „ASS“ – auf einem recht geringen Niveau. Was im Labor jenseits des Datenschutzes und jenseits der Mitbestimmung technisch in ausgewählten Vorgängen in geschützter Umgebung klappt, ist deshalb noch lange nicht für die Arbeitswelt, für Fertigung und Dienstleistung tauglich.

„KI“ verstanden als Software-Anwendung („Autonome Software-Systeme“ ASS) ist in strukturierten und geschlossenen Netzräumen erfolgreich und sehr produktiv. Doch „KI“ im offenen Netz hat seine Bewährungsprobe oftmals noch vor sich. Dies gilt umso mehr dann, wenn „KI“ mit Robotern und autonomen Fahrzeugen verbunden wird. Die Werbe- und Marketingsprache verkündet uns „Lösungen“ auf dem Niveau einer Show am Messestand.

Die Tatsache, dass zwischen Marketing-Ankündigung und tatsächlichem Nutzungsniveau eine große Differenz besteht, stellt für gewerkschaftliches Handeln eine Chance dar. Es gilt, das vorhandene Zeitfenster (Differenz zwischen jetzigem Marketing und erhoffter späterer Nutzung) zu einer aktiven „vorausschauenden Technikgestaltung“ (Schröter) zu nutzen. Um „KI“ so zu gestalten, dass sie klimaschonend, sozial, rechtskonform und beschäftigungssichernd wirkt, bedarf es ausgewiesener Gestaltungskompetenz. Diese auf der Seite der Beschäftigten zu stärken, sollten unsere Bemühungen gelten. Noch gibt es keine „soziale Künstliche Intelligenz“.

 

Betriebs- und Personalräte könnten „autonome Software-Systeme“ für sich nutzen

Derzeit legen viele Akteure aus Gewerkschaften, Betriebs- und Personlaräte den Schwerpunkt bei der Gestaltung digital-virtueller Arbeitswelten auf den Bereich der „nachholenden Digitalisierung“ (Forum Soziale Technikgestaltung). Damit werden die Einführungen von Technologien bezeichnet, die es zwar als Technikentwicklungen schon seit 10, 15 oder 20 Jahren gibt, nun aber erst zur Implementierung kommen. Dort, wo sie heute eingesetzt werden, empfinden die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer diese Anwendungen als „neu“. Doch Smartphones, elektronische Lernumgebungen, mobiles Arbeiten, alternierende Telearbeit, HomeOffice-Lösungen, Softwareagenten, Internet der Dinge, elektronische Aktenführungen, Teile der KI etc. sind seit eineinhalb oder gar zwei Jahrzehnten vorhanden. Nicht selten sind es unerledigte Hausaufgaben, die bei der Modernisierung von Arbeitsumgebungen versäumt und nun nachgeholt werden.

Doch heute bedarf es viel Aufmerksamkeit und Energie für die „Digitalisierung hinter der Digitalisierung“ (Forum Soziale Technikgestaltung). Damit sind insbesondere Technologien gemeint, die als Software in der Lage sind, „selbst zu lernen“ und in Echtzeit „selbst zu entscheiden“. Die „autonomen Software-Systeme“ (ASS) stellen eine der wichtigsten Herausforderungen für die Arbeitswelten dar. Die ASS beanspruchen, anstelle des Menschen rechtsverbindliche Entscheidungen (Transaktionen) zu treffen.

Ihre Einführungen beginnen nicht nur in Produktion und Fertigung sondern ebenso in Dienstleistung und öffentlicher Verwaltung. Das gewerkschaftliche Handeln muss um den Praxisbaustein der „vorausschauenden Arbeitsgestaltung“ erweitert werden.

Die Diskussionen des Netzwerkes „Forum Soziale Technikgestaltung“ (FST) eröffnen zugleich den Blick auf neue Möglichkeiten des Agierens von Betriebs- und Personalräten. ASS sind nicht nur Objekte der Gestaltung. Sie könnten auch Elemente einer verbesserten Betriebsarbeit und ein Fundament betrieblicher Mitbestimmung sein. Im Zusammenhang mit dem FST-Projekt „BetriebsratsArbeit auf Basis ,autonomer Software-Systeme‘“ (BABSSY) entstehen Überlegungen zu möglichen Nutzungen der ASS durch die Beschäftigtenvertretungen selbst. ASS könnten Instrumente neuartiger Praxis sein.

Stellen wir uns vor, jede Beschäftigtenvertretung hätte eine Art Online-Unterstützung (Assistenz) in Gestalt eines „selbstlernenden“ Software-Werkzeuges. Kolleginnen und Kollegen, die im Betrieb im Prozess der Mitbestimmung mit Themen konfrontiert werden, zu denen keine direkte Antwort vorliegt, könnten es aufrufen. Wenn ein ASS-Tool unscharfe Fragen, unscharfe Satzteile, erfahrungsgeleitete Begriffe eingegeben bekommt, könnte das Tool als Antworten sowohl Zusammenhänge zwischen verschiedenen Themen wie auch Verweise auf Sach- und Fachwissen bereitstellen. Es wäre ein Modell, das unscharfe Fragen eines Laien hinführt zu verläßlichen konkreten interessensorientierten Antworten. Das Software-System „lernt“ durch häufige Nutzung und wird zu einem dynamischen Beratungsassistenten. Es könnte dazu verhelfen, komplexe Zusammenhänge inhaltlich zu über—setzen, um es durch Reduzierung von Komplexität Laien leichter zu machen, Gestaltungskompetenz zu verbessern.

Wir müssen die Vier-Null-Welt aus der Perspektive der Zukunft heraus gestalten. Mit dem Blick der Vergangenheit werden wir wohl zumeist nur unerledigte vergangene Hausaufgaben lösen. Wir sollten mutiger sein.

 

Verengungen im Blick auf die KI

Eine gemeinsam von der Integrata-Stiftung, des Weltethos-Institutes und der Giordano-Bruno-Stiftung organisierte öffentliche Fachtagung zur gesellschaftlichen Bedeutung der Entwicklung von KI (Künstliche Intelligenz) wollte die Gestaltungskompetenz auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger stärken.

Dabei verengte sich der Diskurs in Tübingen allerdings auf zwei technische Innovationen – die jenseits von Wirtschafts- und Arbeitswelt verortet wurden. Im Zentrum standen die Potentiale selbst fahrender Autos und selbst laufender Roboter. Im KI-Diskurs gelten diese beiden Anwendungen eher nicht als zentraler Fokus der Herausforderungen. Denn sie sind letztlich nur der Hardware-Schlusspunkt einer ansonsten primär softwaretechnischen Entfaltung.

Einer der wichtigen Schlüssel zur Potentialanalyse der KI liegt – gemäß des Beitrages des Forum Soziale Technikgestaltung – in der Einschätzung und interessensorientierten Beeinflussung „autonomer Software-Systeme“ wie etwa „Watson“ von IBM. Wer gesellschaftspolitisch – zu Recht – Einfluss auf die KI-Entwicklung nehmen will, muss den Blick wechseln: Nicht vom Endgerät (Roboter, Auto, Hardware) wäre zu schauen, also vom „front end“ her, sondern von der Steuerungsebene her, vom „back end“, gilt es sich zu nähern.

Die Kernfrage lautet: Welche gesellschaftlichen und gesellschaftspolitischen Interventionen bereiten den Weg zur Demokratisierung des „back end“? Wie demokratisieren wir die Algorithmen? Dabei wäre die Gestaltung dieser selbstlernenden Software-Systeme in der Arbeitswelt objektiv der zu erwartende Pionierfall. – Dies wäre ein mutiges Thema für die nächste KI-Tagung des Tübinger Dreigestirns.

 

Mit dem Algorithmus auf Du und Du

In der Diskussion von Betriebsräten über die soziale Gestaltung von „Arbeit 4.0“ rücken immer mehr die sogenannten „Autonomen Software-Systeme“ in den Vordergrund. Damit sind nicht Roboter oder selbstfahrende Transportsysteme gemeint sondern Software. „Autonome Software-Systeme“ sollen in die Lage versetzt werden, selbst zu „lernen“, selbst zu „denken“ und selbst „Entscheidungen zu treffen“. Diese „intelligente“ Software soll Arbeits- und Geschäftsprozesse steuern. In Echtzeit.

„Autonome Software-Systeme“ (ASS) lassen sich im Moment vor allen Dingen in geschlossenen oder genau umrissenenen Netzzusammenhängen verwenden. Diese Versionen der ASS benötigen dazu vorbereitete Datenspeicher („Datensilos“), die in hoher Geschwindigkeit Informationen auswerten und diese in Entscheidungsabläufe verwandeln. Eine der bekanntesten Varianten dieses Typs von ASS ist das IBM-System „Watson“.

Am Horizont sind aber schon Pilotierungen erkennbar, die ASS auch in offenen betriebsübergreifenden Wertschöpfungsprozessen, im Handel und in der Erstellung von Kundenprofilen einsetzen wollen.

Ein global handelnder Technologiekonzern mit vielen tausend Beschäftigten und mehreren Werken in der Bundesrepublik hat beschlossen, die Produktion und die Dienstleistungen mit Hilfe von „Watson“ Standorte übergreifend in überschaubarer Zeit neu zu organisieren. Damit werden Arbeitsabläufe und Prozessketten erheblich umgestellt. Aus Sicht der Unternehmensleitung entstehen Effizienz- und Effektivitätsgewinne.

Ein bundesdeutscher Dienstleistungsanbieter mit großer Beschäftigtenzahl beginnt seinen internen Umbau mit der geplanten Integration von „Watson“ in die Verwaltungsabläufe. Damit sollen Verfahren Standorte übergreifend beschleunigt und die Bescheide qualifizierter werden.

Es ist unverkennbar, dass die Anwendung der „Autonomen Software-Systeme“ die Arbeitswelt in wenigen Jahren durchdringen werden. Dabei wird die Gestaltungskompetenz von Betriebsräten erheblich herausgefordert. Es lässt sich von einer Digitalisierung hinter der Digitalisierung sprechen.