Mitbestimmte Algorithmen

Noch finden in den meisten Unternehmen technologische Veränderungen statt, bei denen Technikbasislösungen, die es schon lange gibt, nun erst im Betrieb eingeführt werden. Man kann zu Recht von einer „nachholenden Digitalisierung“ sprechen. Dazu gehören mobile Endgeräte, „intelligente“ Kleidung, „intelligente“ Brillen sowie wesentliche Teile des „Internets der Dinge“. Eine neue Qualität der digitalen Transformation entfaltet sich dort, wo solche Technik verwendet wird, die den Menschen nicht nur physisch entlastet, sondern ihm zugleich kognitive Prozesse samt Entscheidungen abnehmen will.

Wer sogenannte „Autonome Software-Systeme“ (ASS) gestalten will, trifft auf einen besonderen Umstand, dass nämlich bestimmte ASS nach ihrem Start nicht mehr gestaltbar sind. Es muss vorher geschehen. Betriebsräte sind gefordert, auf ASS im Rahmen einer „vorausschauenden Arbeitsgestaltung“, eines „vorausschauenden Arbeitsschutzes“ und einer vorausschauenden Prävention so einzuwirken, dass bestimmte nachteilige Folgen für den Menschen nicht entstehen.

Die laufende Diskussion zeigt, dass der soziale Gestaltungsprozess somit bereits am und im Algorithmus ansetzen muss. Es beginnt ein Gestaltungsdiskurs über „mitbestimmte Algorithmen“. Dies würde bedeuten, dass soziale Anforderungen von der Beschäftigtenseite artikuliert werden und diese über einen IT-gestützten Spezifikationsprozess im Algorithmus hinterlegt werden, bevor die ASS „ihre Arbeit aufnimmt“.

Eine erste Kernforderung aus Beschäftigtensicht lautet daher ganz logisch: Kein ASS darf das Potenzial haben, im Rahmen seines „Lernens“ den eigenen Ausgangsalgorithmus zu verändern. Wenn ein Algorithmus sich selbst zur Eigenveränderung ermächtigen könnte, wäre eine soziale Gestaltung aushebelbar.

 

Prävention 4.0: Vorausschauende Arbeitsgestaltung und vorausschauender Arbeitsschutz unabdingbar

Das Bundesforschungsministerium fördert mit Bundesmitteln das Projekt „Prävention 4.0“. Das Vorhaben „verfolgt das Ziel, konkrete Handlungsempfehlungen und Leitlinien für eine präventive Arbeitsgestaltung in der Arbeitswelt 4.0 zu entwickeln, damit die Akteure in den Betrieben die Potenziale der betrieblichen Prävention in der digitalisierten Arbeitswelt wirkungsvoll nutzen können. Um die Potenziale von CPS zu nutzen und die Arbeitsbedingungen im Zuge der Integration von CPS in Arbeitsprozesse gesundheitsgerecht und produktiv gestalten zu können, müssen alle Akteure in den Unternehmen sowie die arbeitenden Menschen außerhalb der Betriebe und die Präventionsdienstleister sensibilisiert und handlungsfähig gemacht werden“ (www.praevention40.de).

Die ersten Ergebnisse legen den Entscheidungsträger/innen in den Geschäftsleitungen und in den Betriebsräten eine grundlegende Ergänzung ihres betrieblichen Handelns nahe. Die Recherchen, Untersuchungen, Expertengespräche und Workshops lassen unzweifelhaft erkennen, dass es für den Übergang zu tatsächlichen 4.0-Arbeitswelten auf der Basis der Anwendung „autonomer Software-Systeme“ einer kombinierten Strategie aus „vorausschauender Arbeitsgestaltung“ und „vorausschauendem Arbeits- und Gesundheitsschutzes“ bedarf.

Ausgangspunkt dieser Darlegung ist der Blick auf den jetzigen Status der „selbst lernenden“, „selbst denkenden“ und „selbst entscheidenden“ „autonomen Software-Systeme“(ASS): Diese sind – nach derzeitigem technischen Stand – nach ihrem Start nicht mehr gestaltbar. Technische, soziale und gesundheitliche Standards müssen somit vor der Nutzung der ASS bereits in der Software verankert werden.
Betriebsräte wie Geschäftsleitungen müssen vorausschauend analysieren, welche Wirkungen der ASS vermieden werden sollen bzw. müssen. Diese vorausschauend wahrgenommenen Interessen können dann ausgehandelt, vereinbart, spezifiziert und vor dem Start der ASS implementiert werden.

Auf diese neue zusätzliche Handlungsweise sind Betriebsräte bislang kaum vorbereitet. Sie benötigen zusätzliche Kompetenzen und Beratungsleistungen. Die Betriebsräte werden dabei mit einer stark zunehmenden Abstraktion und Komplexität der Abläufe konfrontiert.

Eine der zentralen Zielsetzungen des Projektes „Prävention 4.0“ besteht in der Erarbeitung und Bereitstellung wesentlicher Handlungsmöglichkeiten einer präventiven Arbeitsgestaltung für alle betrieblichen Akteure.

Das Forum Soziale Technikgestaltung, das zu den Partnern des BMBF-Vorhabens „Prävention 4.0“ gehört, startete das Projekt „BABSSY“ („BetriebsratsArbeit auf Basis autonomer Software-Systeme“), um den Kompetenzaufbau unter Betriebsräten und Beschäftigten zu unterstützen.