Blockchain (3): Trends und Anwendungen

Die „Blockchain“ als Technik der verteilten Kontobücher (Distributed Ledger Technology DLT) verlässt den Markt der Finanz- und Währungsdienstleistungen. DLT dringt in die Realwirtschaft ein und verändert die Marktbeziehungen. Wertschöpfungsnetzwerke beginnen, sich anders zu sortieren. Möglicherweise wird die „Blockchain“ zu einem dominanten Navigationssystem des nicht nur industriellen Internets der Dinge.

In großen Konzernen wird die „Blockchain“ als techniksichere Organisation des Wareneinkaufs und der Beschaffung genutzt. Dezentrale Einkaufs- und Verkaufsbeziehungen werden durch DLT aufgewertet. Negativ kann dies bedeuten, dass nicht kompatible Lieferanten herausfallen. Positiv könnte es sich auswirken, dass die Regionalisierung des Ein- und Verkaufs erleichtert wird.

Schon taucht die Entwicklung lokaler Energiemärkte unter dem Dach der „Smart City“ als Vision auf. Sie soll zum Beispiel private Energieerzeuger (Photovoltaik auf dem Hausdach) ermächtigen den eigenen Strom dem Nachbar auf der anderen Straßenseite zu verkaufen. Die „Blockchain“ soll diesen Geschäftsvorgang voranbringen. Der Traum der Energieautarkie könnte zur Stärkung der Entscheidungsmacht von Kunden führen und die Beziehungen zu traditionellen Stromlieferanten drastisch flexibilisieren. Erste Pilotierungen auf kommunaler Gemarkung haben begonnen.

Eine Kommunalverwaltung testet die „Blockchain“ als Instrument zur Neuordnung des Anmeldewesens für den Gebrauchtwagenmarkt. Auch der Wandel der Organisation des Gesundheitswesens auf der Basis der „Blöcke-Kette“ taucht als weitere Vision auf.
Die „Chain“ bringt neue plattform- und cloudbezogene Organisations- und neue Geschäftsmodelle hervor.

Wer aber werden die Betreiber sein? Können regionale Betreiber sich gegen Banken durchsetzen? Schafft die „Blockchain“ mehr Vertrauen in die Netzsicherheit?

Eines ist sicher: „Blockchains“ benötigen und suchen Netzwerke. Reale. Technische. Virtuelle. Soziale.

 

Unterschätzen wir die digitale Transformation?

Wer sich mit der sozialen Gestaltung moderner Arbeitswelten befasst, stellt sich wohl ab und zu die Frage, wo denn eigentlich derzeit vorne sei. Bilden die Humanisierung mobiler Arbeit und die Einrichtung eines HomeOffice das unerkannt Neue? Stellen das „Internet der Dinge“ oder „Smart Glasses“ die Überraschung des Morgen dar? Ist die Nutzung eines Smartphones eine Innovation?

Seien wir ehrlich: Wir sind zumeist mehrheitlich dabei, unsere unerledigten Hausaufgaben der letzten Jahre aufzuarbeiten. Smartphones wurden im Unternehmensalltag 1996/97 eingeführt. Der erste Tarifvertrag für mobiles Arbeiten wurde 1996 unterschrieben. „Kluge Brillen“, das „Internet der Dinge“ und die „Smart Factory“ sind seit eineinhalb Jahrzehnten technische Wirklichkeit. Wir gestalten momentan vor allem eine „nachholende Digitalisierung“ (Schröter). Dies ist absolut notwendig und eine erhebliche soziale Herausforderung. Diese Digitalisierung ist die Basis von „Arbeit 4.0“, aber es ist nicht „Arbeit 4.0“.

Die Vier-Null-Welten beginnen mit der „Digitalisierung hinter der Digitalisierung“ (Schröter), wenn die „Handlungsträgerschaft Mensch“ übergeht in eine „Handlungsträgerschaft autonomer Software-Systeme“, die „selbstlernend“ und in gewisser Weise „selbstentscheidend“ sind. Damit sind nicht Roboter oder selbstfahrende Autos gemeint.

Es geht um Software, um ein neues gewerkschaftliches Verständnis der Potenziale von Software. Wir müssen lernen, den Menschen ins Zentrum der Arbeits- und Lebenswelt zu setzen und zugleich die Prozesse und Organisationsabläufe durch die Brille der „intelligenten“ Software zu denken. Dieser Blick öffnet die Tür zum Verständnis der Vier-Null-Welten.

Solange wir aber nur rückwärtig nachholend handeln, gerät uns die Richtung des „Vorne“ aus dem Blick. Das, was technologisch vorne ist, muss dem Humanum unterworfen werden. Unsere Gestaltungskompetenz gilt es zu erneuern.

Daher ist es unabdingbar, dass wir die gleiche Energie und den gleichen Aufwand, den wir im Moment in die „nachholende Digitalisierung“ investieren, ebenfalls in die Gestaltung „autonomer Software-Systeme“ (ASS), in den Erwerb von Kompetenz zur „vorausschauenden Arbeitsgestaltung“, in die Demokratisierung des Prinzips Algorithmus und in die demokratische Formung ambivalenter Blockchain-Anwendungen aufbringen.

Soziale Gestaltung gelingt am besten von vorne. Dort müssen wir hin. Rasch. Kompetent. Sozial. Innovativ. Mitbestimmt.

Unterschätzen wir die digitale Transformation? Noch.

 

In vielen Betrieben: Nachholende Digitalisierung

Mindestens seit 1995 lässt sich in der hiesigen Wirtschaft, in Produktion und Dienstleistung von einer beginnenden strukturierten Digitalisierung der Arbeitswelt und der Geschäftsprozesse sprechen. Was einst in den Neunzigern als „Multimedia“ und „Web 2.0“, „E-Commerce“ oder „E-Business“, „E-Working“ und „E-Procurement“ durch die Betriebe zog, erscheint heute vielmals unter dem Label „Vier Null“ als faktisch alter Stoff in neuer Verpackung.

Da führen Unternehmen das Wort vom „Internet der Dinge“ („Internet of Things“) per Pressemitteilung ein und bemerken gar nicht, dass das „IoT“ selbst schon fast zehn Jahre alt ist. Da kommen Geschäftsführer engagiert auf Betriebsräte zu und kündigen an, dass die Firma jetzt ganz vorne mitwirkt, in dem sie Tablets, Smartphones und eine E-Learning-Plattform sowie eine Wissensdatenbank einführen. Letzteres ist Fünfzehn Jahre alt! Da werden Sensoren und Aktoren, Nano- und Mikrotechnik als topmodern bemüht und vergessen, dass die digitalen Sensorchips am Gegenstand alias „RFID“ alias „Bluetooth Tag“ schon seit Jahren auf den Paletten fixiert waren. Ihre renovierte Gestalt in Form der frühen Cyber Physical Systems CPS wird als ganz neu gehandelt. Unternehmensberater schwärmen vom innovativen Typ des mobilen Arbeitens, doch sie übersehen, dass vieles davon unter dem Namen „alternierende Telearbeit“ bereits vor der Jahrtausendwende Alltag im Betrieb war.

Das Thema „Arbeit 4.0“ ist ein sehr wichtiges Thema. Betriebsräte, Vertrauensleute und Gewerkschaft sind bei der sozialen Gestaltung der „digitalen Transformation“ vorne dabei. Doch den zahlreichen Onlinekommentatoren aus Wirtschaft und Technik sei nahe gelegt, fundierter zu argumentieren, wenn sie von Umsetzungen à la „Industrie 4.0“ berichten. Nicht selten handelt es sich in den Betrieben vor Ort um eine Art der nachholenden Digitalisierung: Unter der Überschrift „Vier Null“ werden technische, organisatorische und infrastrukturelle Neuerungen beschrieben, die in Wirklichkeit die Einlösung vergangener Versprechungen und die Kompensation zurückliegender Versäumnisse darstellen.

Es gilt daher, seriös zu unterscheiden, was gibt es an wertvollen soziotechnischen Innovationen (zum Beispiel autonome virtuelle Systeme in Echtzeit, selbstlernende CPS, flexible horizontale Wertschöpfungsketten oder cloudbasierte Verknüpfungen von Robotik-Einheiten), die tatsächlich neu sind, und was wird dagegen als neue Anwendung ausgegeben, um Unterlassenes zu kaschieren.

Nachholende Digitalisierung ist wichtig. Keine Frage. Sie ist die Voraussetzung für weitergehende Schritte. Aber sie ist noch nicht der weitergehende Schritt. Wir benötigen einen freien Blick auf das wirklich vorne Befindliche.

 

Eindrücke von der Hannover Messe (II): Der Traum der globalen Cobot-Cloud

Im Jahr 2015 präsentierten zwei einzelne, einschlägig bekannte Robotik-Hersteller auf der Hannover Messe ihre Neuheiten der „Collaboration Robots“, genannt „Cobots“. Ein Unternehmen stellte damals den weltweit ersten zweiarmigen Leichtmetall-Roboter vor. Das innovative Gerät passt auf jeden Schreibtisch und kann den Menschen kaum verletzen, denn der Exponent der „weichen Robotik“ bleibt bei Berührung eines menschlichen Körperteils automatisch stehen. Parallel zeigte ein Wettbewerber seine Kooperation mit einem internationalen Software-Konzern. Der einarmige Leichtmetall-Roboter dieser Produktlinie wird mit Hilfe amerikanischer Software gesteuert.

Im Jahr 2016 haben zahlreiche andere Robotik-Innovateure nun das Prinzip der „weichen Robotik“ reihenweise kopiert. Bekannte und in Europa weniger bekannte Cobots-Entwickler setzen auf eine neue Kultur der Kollaboration zwischen Mensch und „weichem“ Roboter. Eine renommierte Firma überraschte mit einem konzeptionell einsetzbaren „intelligenten“ Cobot, der per visueller Gestik (Sichtkontakt) in seinen Bewegungen geführt wird. Das Konzept erlaubt flexible Konfigurationen mehrerer Cobots, die jeweils aufeinander folgende Aufgaben ausführen können. Die Produkt-„Philosophie“ setzt dabei auf die zentrale Rolle des Menschen und die flexible Assistenz der Maschine.

Beeindruckend ist der globale Ansatz eines europäisch-chinesischen Großkonsortiums zum Aufbau und zur gleichzeitig vorausschauenden Besetzung des weltweiten Marktes für Robotik-Fernanwendungen. Nicht der einzelne Cobot oder eine Gruppe davon wirken dabei im Vordergrund, sondern eine herausfordernde Strategie des Zusammenwachsens (Konvergenz) der Cloud-Welt mit der Cobot-Welt.

In einer Wertschöpfungskooperation von mehreren Hard- und Software-Partnern soll dabei die Remote-Steuerung global verteilter Robotik-Produktionszellen mit Hilfe chinesischer Cloud-Technik erfolgen. Auf diese Weise entsteht nicht nur eine flexible Infrastruktur für dezentrale horizontale Wertschöpfungsketten, sondern dadurch wird zugleich eine marktstarke technische Cloud-Infrastruktur für eine neue Generation des „Internets der Dinge“ („Internet of Things“ IoT) geschaffen: Die Cloud, die selbstgesteuerte Roboter einander ins Gespräch bringt.

Der Traum der „Cobot-Cloud“ hat seine Verwirklichungsschwelle erreicht.

Im Gestaltungsdialog mit dem Fachkräftenachwuchs (II)

Was bedeutet „Arbeit 4.0“ und wie lässt sie sich partizipativ gestalten? Dieser Frage ging ein Seminar fortgeschrittener Studierender der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen am Bodensee nach. Auf Einladung der „ZU“ konnte die gewerkschaftliche Sicht auf Prozesse der Digitalisierung und Virtualisierung der Arbeitsumgebungen umfangreich dargelegt werden.

In der Diskussion schälte sich ein Aspekt heraus, der aus der sozialwissenschaftlichen Erbschaft der Debatten um Technikfolgenforschung und Technikfolgenabschätzung der neunziger Jahre entlehnt wurde. Damals stellten die VertreterInnen der „TA“ die Forderung auf, dass die Anwendungen neuer Technologien am Kriterium der „Rückholbarkeit“ geprüft werden sollten. Was aber heißt „Rückholbarkeit“ bezogen auf echtzeit-strukturierte CPS-Lösungen heute? Ab welcher Stufe der Integration von aufeinander bezogener Software ist ein Software-Befehl nicht mehr rückholbar?

Aus Sicht der Studierenden entfaltete die Kontroverse um die „Rückholbarkeit“ der Wirkungen des „Internets der Dinge“ eine sehr attraktive Herausforderung. Wie ist dies theoretisch beschreibbar? Wie lässt sich der Ansatz partizipativ ausgestalten? Welche technische Realisierung wäre denkbar?

 

Revolution in der Arbeitswelt? – Zum zwanzigsten Geburtstag der Digitalisierung

Wer heute Betriebsräte aus Industriebetrieben anfragt, wie es ihnen denn in der derzeitigen Revolution der Arbeitswelt durch die scheinbar völlig überraschend hereinbrechende Digitalisierung ergeht, erhält bestenfalls ein erstauntes Lächeln, das dem Kommentar vorausgeht: „Das machen wir doch schon seit vielen Jahren!“

Ja, das ist wohl richtig. Es ist zwanzig Jahre her, dass 1995 der Begriff „Multimedia“ zum Wort des Jahres gekürt und der Beginn des Digitalzeitalters ausgerufen wurde. Seitdem bricht in kurzen Abständen die Digitalisierung stetig neu, umwälzend und unerwartet an. Wie lässt sich nun erklären, dass die Digitalisierung zwar kein alter aber ein mindestens bereits erwachsen gewordener Hut darstellt? Warum wird dieser Veränderungsprozess immer wieder als plötzlich neu ausgerufen?

Eine kleine unscharfe „Faustregel“ kann beim Verständnis helfen (die IT-Teams mögen die folgende didaktisch motivierte Begriffswahl verzeihen): Seit zwanzig Jahren weitet sich der Prozess der Digitalisierung stetig aus und durchdringt Arbeit, Konsum, Freizeit, Behörden und Privatheit. Zugleich haben sich innerhalb dieses Prozesses grob gesagt drei qualitative Abstufungen vollzogen:

In den neunziger Jahren betonte die Digitalisierung den Datenaustausch zwischen Menschen. Das „Internet der Menschen“ war vorherrschend. Zu Beginn des neuen Jahrzehnts nach dem Jahr 2000 setzte sich immer mehr der Datenaustausch zwischen den Dingen durch. Der Datenverkehr zwischen Gegenständen wurde als „Internet der Dinge“ vorherrschend. Zehn Jahre später sollen die Potenziale der Digitalisierung die Vernetzung und Virtualisierung betriebsübergreifender Wertschöpfungsketten ermöglichen. Das „Internet der Prozesse in Echtzeit“ soll vorherrschend werden und ein weiteres Fundament für „Industrie 4.0“ legen.

So besehen ist die derzeitige dritte Stufe neu, obwohl die Digitalisierung selbst schon etwas in die Jahre gekommen ist. Doch alle drei Stufen wirken unentwegt weiter. Happy Birthday zum Zwanzigsten!

 

Vertrauensleute wollen die Arbeit der Zukunft mitgestalten

Unter dem Motto „So wollen wir arbeiten“ diskutierte die Versammlung der Vertrauensleute im Produktionsstandort VW Nutzfahrzeuge Hannover die Zukunft der Arbeit. Vom „Büro der Zukunft“ über Herausforderungen für Tarifverträge durch „Arbeit 4.0“, von den modernen Logistikkonzepten und dem 3-D-Druck bis hin zur neuen Menschen-Roboter-Zusammenarbeit (Mensch-Roboter-Interaktion MRI) reichten die Fragestellungen. Welf Schröter, Moderator des Blogs Zukunft der Arbeit und Leiter des Forums Soziale Technikgestaltung hob die Chancen und Potenziale von „Industrie 4.0“ für die Humanisierung der Arbeitswelten hervor.

Grafic Monitoring von Anja Weiss (www.anja-weiss.com)

Grafic Monitoring von Anja Weiss (www.anja-weiss.com)

Der Referent betonte unter anderem, dass gerade die weitreichende Verknüpfung von materieller und nicht-materieller Arbeit, von Gegenständen und dem „Internet der Dinge“, vom Sensor-Chip am Gegenstand (CPS) und der virtuellen Weiterverarbeitung von dessen Daten eine große Herausforderung für die Würde der Arbeit darstelle.

Es gelte, die Selbstbestimmung des Menschen gegen die einseitige Taktgeberschaft „intelligenter“ Technik zu wahren. Die IT-Technik sei eine offene Technologie und grundsätzlich gestaltbar. Entscheidend sei, die Interessen hinter der Technik zu erkennen. Deshalb sei es wichtig, dass Betriebsräte wieder vermehrt soziale Technikgestaltung als Ort der Interessensdurchsetzung nutzen.