„Maschinenethik“ (Teil II): Der Wandel des Menschenbildes

Wie oben beschrieben wollen die Anhänger der „Maschinenethik“ in Geräten und in der Software menschenähnliches reflexionsfähiges Bewusstsein entdeckt haben. Diese Annahme fußt auf einer Voraussetzung, die es dringend zu hinterfragen gilt. Wenn Maschinen Ethik und Bewusstsein besitzen, welches Verständnis von Ethik und Bewusstsein wird dabei zugrunde gelegt?

Wir kennen dieses Phänomen aus der Verbindung von Robotik-Entwicklung und Kinderpsychologie bzw. Kinderpädagogik. Die Forschungsteams, die menschenähnlichen (humanoiden) Robotern Bewegungen beibringen, greifen dabei auf biografisch-soziale Lernprozesse von Kleinkindern zurück. Wie lernen Kinder? Wie greifen und tasten sie? Wie wiederholen sie Bewegungen? Bei diesem Ansatz reduzieren die Robotik-Teams die Verhaltensmuster der Kleinkinder, um die abstrahierten Vorgänge technisch nachbilden zu können. Damit Roboter „lernen“ können, muss das Verhalten eines Kindes vereinfacht und reduziert werden. Solange sich alle Beteiligten darüber im Klaren sind und wissen, dass das tatsächliche und wirkliche  Verhalten von Kindern viel komplexer ist, besteht kein Risiko für Ideologisierungen.

Die Debatte um „Maschinenethik“ ist mit der Adaption des Verhaltens von Kindern zur Implementierung in Roboter methodisch vergleichbar. Zugespitzt formuliert bedeutet dies: Um in einem mathematisierten Software-Haufen „Bewusstsein“ zu entdecken, muss das Verständnis von Bewusstsein so heruntergefahren und reduziert werden, dass es technisch nachbildbar wird. Hinter der Frage, ob Maschinen eine Ethik und eine  Moral besitzen können, verbirgt sich die gravierende Frage, wie sich das Menschenbild und das Humanum anpassen müssen, um für solch eine „Maschinenethik“ passend zu sein.

Ein gewisser Teil derjenigen, die sich diesem Typ der „Maschinenethik“ verschrieben haben, arbeitet nicht an der Maschine oder an der Software sondern am Wandel des Menschenbildes. Die exzessivste Form davon stellen die „Transhumanisten“ dar, die unter dem Vorwand der biologischen Evolution die Verknüpfung von Organischem und Digitalem anstreben. Letztlich soll das ewige Leben dadurch erreicht werden, dass ein digitalisiertes menschliches Gehirn mit Bewusstsein in einer Hardware fort“lebt“.
In der Bundesrepublik haben bestimmte „Ethiker“ extra eine Partei gegründet. Ihre – vor allem männlichen – Vertreter versuchen, über vorhandene hiesige Organisationen und über honorige Stiftungen ihre ideologisierten, teilweise aus den USA kopierten Konzepte zu verbreiten.

Einige der amerikanischen Transhumanisten setzen für das Menschenbild der Zukunft drei zentrale Begriffe: männlich, weiß, digital. Dieser Typ von „Maschinenethik“ revidiert das Menschenbild der UN-Charta der Menschenrechte.

 

Robotik hinter der Robotik

Die Geschichte der Robotik, ihre darin enthaltenen Hoffnungen und Befürchtungen, reicht weit zurück. Vor mehr als 200 Jahren wurde erstmals ein technischer Versuch unternommen, einen Roboter zu bauen. Es war eine Tiernachbildung. Unser aktuelles Verständnis wurde vor allem von Zukunftsszenarien geprägt, die schon in den 1920iger Jahren davon sprachen, dass menschenähnliche Roboterfiguren die Herrschaft an sich reißen. 1968 brachte Hollywood den Roboter HAL auf die Leinwand, der eigensinnig dem Menschen seinen Willen aufdrängen wollte. Doch diese Sichten decken sich nicht mit den derzeitigen Realitäten.

Heute sind in den Unternehmen noch sogenannte „Assistenzsysteme“ vorherrschend. Sie sind in der Regel „festgeschraubt“ und vollziehen begrenzte, immer wiederkehrende Bewegungen. Man denke an Lackier-Roboter, die einarmig Karosserieteile mit Farbe besprühen. Sie werden mittels Software auf unterschiedliche Formungen ausgerichtet, aber der Lackiervorgang bleibt weitgehend unverändert.

Eine ganz andere Welt bilden dagegen die Versuche, menschenähnliche (humanoide) Roboter herzustellen. Deren Herausforderungen liegen vordergründig in der Frage, ob diese eine menschenähnliche Gestalt, also ein Gesicht, erhalten sollen. Je mehr der Roboter über ein Gesicht verfügt, umso eher ist der arbeitende Mensch geneigt, der Maschine die Fähigkeiten, Denken und Fühlen zu können, zuzuschreiben.

Für die Robotikforschung heute gilt vermehrt die Frage, ob es gelingt, der humanoiden Robotik „Kommunikation“, „Mimik“, „Gestik“ und „Eigenkommunikation“sfähigkeiten beizubringen bzw. anzutrainieren. Hier ist die Entwicklung zwar fortgeschritten, aber dennoch in den Kinderschuhen.

Anders sieht es aus, wenn einarmige oder zweiarmige Assistenzroboter sowie Ansätze humanoider Robotik mit digitalen Plattformen und Clouds verknüpft werden. Dadurch wird es möglich, das „Lernen“ und Steuern des Roboters über das Netz zu beschleunigen. Dann übernehmen „intelligente“ Software-Lösungen die Federführung. Die „blecherne Figur“ wird zum Anhängsel.

Die Zukunft der Robotik liegt vor allem in der Software.

 

Perspektivwechsel in der Integrationsarbeit möglich

Die digitale Transformation erreicht immer weitere Bereiche der Arbeitswelt und der Gesellschaft. Mehr und mehr Akteure auf dem Gebiet der Sozialarbeit, die sich für Inklusion, Integration und Zusammenhalt einsetzen, suchen nach spezifischen Chancen für Menschen mit körperlichen oder kognitiven Beeinträchtigungen.

Zum Kreis der besonders innovativen Einrichtungen gehört das bhz Stuttgart e.V., ein Träger der Behindertenhilfe in Stuttgart mit diversen Standorten für ca. 400 Menschen mit ganz unterschiedlichen Behinderungen. Das jüngste öffentliche „bhz-Forum“ befasste sich mit dem Thema „Arbeit 4.0 – Arbeit für alle?!“: Wie kann es gelingen, dass auch in Zeiten von Digitalisierung und so genannter „Industrie 4.0“ Menschen mit Einschränkungen eine passende Arbeit finden?

Aus arbeitsweltlicher Sicht ermutigte dabei das Forum Soziale Technikgestaltung den sozialen Träger und sein Team, sich in die laufende, zumeist nur technik- und marktzentrierte Debatte um die Umsetzung von Vier-Null-Welten engagiert einzumischen. Derartige Träger sollten sich nicht nur mit eigenen internen Projekten abkapseln und sich nicht von anderen ab- oder ausgrenzen zu lassen. Die Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigungen müsse eines der zentralen Motive der digitalen Transformation und der gesellschaftlichen Diskussion werden. Solche Einrichtungen sollten sich auch in die dominierenden Kernprojekte der CPS-Vorhaben hineinbegeben und dort wirken. Technische Innovationen brauchen soziale Innovationen. Gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Prozesse dürfen nicht Ingenieur- und Informatik-Teams allein überlassen werden.

Vor allem aber bietet die Vier-Null-Welt der CPS-Technik und der „autonomen Software-Systeme“ ein Potenzial, mit dem ein Perspektivwechsel in der Schaffung von Wertschöpfung und Beschäftigung für Menschen mit Beeinträchtigungen möglich wird. Während ein nur markt- oder wettbewerbsbezogener Ansatz Technik schnell zur Rationalisierung und zum Beschäftigtenabbau formiert, könnten dagegen im Feld der sozialen Innovationen neuartige Wertschöpfungskreise dadurch wachsen, dass kluge Technik als Ermöglichende wirkt. Intelligente Assistenztechnik und humanoide Robotik erlauben es, Kompetenz- und Fähigkeits- sowie Fertigkeitslücken bei beeinträchtigen Menschen mit passgenauen smarten Lösung zu komplettieren und zu kompensieren. So lassen sich neue Aufträge aus der Realwirtschaft akquirieren. Das Team zählt.

Zielgruppenspezifische soziale Innovationen brauchen partizipativ gestaltete kluge Assistenztechniken. Deren Implementierung stärkt das Selbstbewusstsein der Zielgruppe, die mit eigener Arbeit zur Erwirtschaftung von Einkommen beitragen kann.

 

Von träumenden Robotern und vom Traum eines Betriebsrates

Zwei einarmige Roboter schenken den Besuchern der Hannover Messe 2016 ein Glas Bier ein. (Foto: © Welf Schröter)

Zwei einarmige Roboter schenken den Besuchern der Hannover Messe 2016 ein Glas Bier ein. (Foto: © Welf Schröter)

Es gibt Forschungslabors großer internationaler Unternehmen, da treffen sich kreative Köpfe und beginnen zu träumen. In ihren Träumen, die fast einer konkreten Utopie nahe kommen, begegnen ihnen humanoide Robotergestalten, die freundlich grüßen und kluge Fragen beantworten. Diese menschenähnlich designten Maschinen erzählen nun seit neuestem ihren analogen IT-Schöpfern, dass sie als künstlich geschaffene Gestalten in ihren virtuellen Unendlichkeiten selbst träumten. In ihren Nachtträumen treffen die Roboter auf Therapeuten, die den Menschmaschinen psychologische Hilfe anbieten. Zu oft hätten die Humanoiden unter den unsystematischen und emotionalen Widersprüchen der Analogen gelitten. Die Humanoiden sehen sich von den Analogen traumatisiert. Die Maschinen fordern Inklusion und drohen mit selbstorganisierten antiautoritären Selbsthilfegruppen.

Beim Stichwort „antiautoritär“ erwachte der Kollege Betriebsrat und begann zu zweifeln. Hatte er geschlafen oder gar geträumt? Waren die Humanoiden schon aktiv? Wieso fiel ihm jetzt der Name eines Schweizer FutureLabs ein? – Sicher war er sich jetzt nur hinsichtlich seines eigenen früheren Tagtraumes: Als konkrete Utopie hatte er sich einen autonomen Mitbestimmungsalgorithmus ersehnt, der in Echtzeit durch den virtuellen Raum pirscht auf der Jagd nach neuen digitalen Werkzeugen, die doch so schändlichst die jüngste Betriebsvereinbarung unterlaufen wollen. Ein solch autonomer Bot sollte dem Betriebsrat angehören und rund um die Uhr wachen können. Voilà – das wäre eine Assistenz! Die würde endlich entlasten!

Beim Stichwort „Assistenz“ klingelte der Smartphone-Wecker und der Kollege erwachte. – War da was? Oder etwa doch? – Erneut surrte das Phone: „Kollege wo bleibst Du. Die Betriebsratssitzung hat schon angefangen. Wir haben ein Problem: Die Geschäftsleitung will mehrere zweiarmige humanoide Leichtmetall-Roboter für den Ausschank in der Kantine einsetzen. Die einarmigen Robbis haben sich nun sehr aufgewühlt an uns gewandt. Sie fürchten, dass die Zweiarmigen sie wegrationalisieren. Was tun?“

Der Kollege schüttelte sich. Sah verwirrt auf die Uhr. Draußen war es noch still und dunkel. Er legte sich wieder hin.

 

Was heißt „menschenähnliche“ Robotik? Bionik?

Es besteht kein Zweifel in der Erkenntnis, dass die Entwicklung von flexibel einsetzbaren Leichtmetallrobotern mit einem oder zwei Armen zu einem wichtigen Kennzeichen des Wandels hin zur „Arbeit 4.0“ geworden ist. Diese „kleinen“ und kostengünstigen Geräte für einen neuen Typ des Zusammenwirkens von Mensch und Technik verändern unsere Erfahrungswelt. Doch was bedeutet in diesem Kontext die Bezeichnung „menschenähnlich“? Aus Science-Fiction-Filmen oder Horrorstreifen kommen uns riesige gewalttätige Mensch-Maschinen oder Maschinen-Menschen entgegen. Diese „Cyborgs“ prägen unbewusst unsere Erwartung, wenn wir von „menschenähnlichen“ Robotern reden. Sie erscheinen als künstliche Figuren, die Bedrohungen auslösen, weil sie vermeintlich an die Stelle des Menschen treten wollen.

Doch die heutige Fachdiskussion um „humanoide Roboter“ (menschenähnliche Roboter) will gar nicht Maschinen schaffen, die wie Menschen aussehen. Vielmehr geht es um die Entzauberung der Biologie und Neurobiologie. Wie funktionieren Nervenstränge im menschlichen Körper? Wie geht der Körper mit Gewichten und dem Gleichgewicht um? Wie kann das Geheimnis der menschlichen Sinne erkannt und technisch sehr klein nachgebaut werden? Wie können verletzte menschliche Gliedmaße näherungsweise ersetzt werden? Wie kann Bewegung und Wahrnehmung simulierbar gemacht werden? Dazu sollen Kenntnisse aus der Biologie und Kenntnisse aus der Technik zu einer neuen Anwendung verknüpft werden, zur Bionik. – Hier liegen Chancen für neuartige „intelligente“ Materialteile „mit Gedächtnis“ als Basis für neue Produkte und Dienstleistungen als Assistenzsysteme zur Entlastung des Menschen. Der Laie sieht der Bionik das Humanoide gar nicht mehr an. 

Baustein für die „Arbeit 4.0“: Hand in Hand mit dem „weichen“ Roboter

Die Nutzung von Robotern ist der Arbeitswelt in Werkshallen der Automobiltechnik oder des Anlagenbaus seit langem vertraut. Große schwere Schwenkarme heben und drehen erhebliche Gewichte. Ein Schutzzaun umgibt das in den Boden einzementierte bzw. fest verankerte Instrument, um Verletzungen von Menschen zu vermeiden.

In dieses Bild von Robotik dringen nun – spätestens seit der Hannover Messe 2015 – das Design und die Fähigkeiten der neuen kleinen Leichtmetall-Roboter ein. Sie sind in der Regel so groß wie ein Kind, können gerne zum Transport unter den Arm genommen werden und lassen sich problemlos auf den Schreibtisch als neues „Gegenüber“ platzieren. Sie werden mit Hilfe von Gestik in Minutenschnelle von jedem Laien „trainiert“, man könnte auch sagen: eingewiesen. Sie speichern alle Bewegungen und verfügen bald über ein großes Reservoir an nutzbaren Gesten.

Diese – in der Regel menschenähnlichen Roboter (humanoide Roboter) – sind flexibel einsetzbar: heute in der Handwerkswerkstatt, morgen in der Fabrikhalle und übermorgen als Assistenz im Pflegeheim. Die besondere „Eigenschaft“ dieser „Soft Robots“ besteht darin, dass sie bei einer Berührung mit dem Menschen sofort stoppen. Ein Zusammentreffen von Roboter und Mensch, bei dem sich der Mensch verletzt, ist somit beinahe ausgeschlossen. Diese „weichen“ Roboter bilden den „Partner“ des Menschen in der neuen „Collaboration“ (Mensch-Roboter-Interaktion / Human-Robotic-Interaction HRI). Dieses neue „Duo“ bildet einen wichtigen technisch-innovativen Baustein der neuen „Arbeit 4.0“.

Wie aber soll der „Soft Robot“ gestaltet werden? Was soll er können? Was darf er nicht können? Wie soll er aussehen? Soll er dem Menschen ähneln oder bewusst wie eine fremde Maschine aussehen? Müssen wir „Vertrauen“ zum „Kollegen Soft Robot“ entwickeln oder besser er in uns?