Daten sind nicht gleich Daten

Die Prognosen der IT-Szene sind eindeutig: Tag für Tag, Jahr für Jahr vervielfachen sich die Datenmengen im Netz. Es bedarf daher kluger Software-Lösungen, um immense Volumina verarbeiten und auswerten zu können. Big Data, „Watson“, „autonome Software-Systeme“ (ASS) und andere automatisierende Software versprechen der Kundschaft baldige verlässliche Erfolge. Es gelte, Prozesse sowohl im Nachhinein zu überprüfen als auch vorausschauende Bewegungs- und Verhaltensmuster zu erkennen.

Als Instrument der Datenaufbereitung sollen dem arbeitenden oder einkaufenden Menschen nicht nur lange Zahlen- und Wortreihen zur Verfügung stehen. Um eine leichtere Vermittelbarkeit und bessere Verständlichkeit zu ermöglichen, setzt die IT-Szene auf eine Weitergabe und Präsentation der Ergebnisse in Gestalt von Bildern, bewegbaren Bildern (interaktive Visualisierung). Es schlägt vermehrt die Stunde der „virtuellen Realität“ (virtual realitiy, VR), zu der man mit digitalen Brillen Zugang bekommt.

Doch kann man den Ergebnissen trauen? Traut man den Daten, traut man den Ergebnissen. Wer aber garantiert die Integrität, Verlässlichkeit, Verfügbarkeit der Datenmengen? Wie lässt sich „Datenwahrhaftigkeit“ in Echtzeit überprüfen? Aus der Vergangenheit wissen wir, dass Daten immer mehrdeutig sind: „Der Tor bewegte sich durch ein Tor zum Tor und schoss ein Tor.“ Handelt es sich um vier Personen oder um ein Vier zu Null?

So besehen ist die Frage nach der „Datenwahrhaftigkeit“ nicht primär eine technische Herausforderung. Es geht um überprüfbare, an vereinbarten Kriterien orientierte Standardisierungen der Sammlung, Verarbeitung und Bewertung großer Datenmengen durch automatisierende Werkzeuge. Die Standardisierungen können nicht der IT-Entwicklerszene und der IT-Industrie überlassen werden. Dies stellt eine gesellschaftliche Aufgabe dar. Wertevielfalt, Wertepluralismus, Interessenoffenheit, Demokratieprinzipien, Egalität, Integration, Inklusion, Geschlechtergerechtigkeit, Gleichberechtigung, soziale Kontexte und Interdependenzen sind zu berücksichtigen. Technik ist nie neutral und nie wertfrei. Jede Technikentwicklung reproduziert Interessenlagen. Diesen Prozess gilt es zu demokratisieren.

Big Data und vergleichbare Vorgänge (wie etwa ASS) sowie ihre Datengrundlagen müssen nachvollziehbar wie auch überprüfbar sein. Demokratische Transparenz hat Vorrang vor technischem Determinismus. Daten sind ja eben nicht gleich Daten.

 

Blockchain (2): Gesichter einer Technikinnovation

Die „Blockchain“-Technologie wurde in größerem Stil zunächst für Finanzdienstleistungen, Geld- und Währungstransaktionen genutzt. Dabei entstanden mindestens zwei große Handlungsfelder: Die „öffentliche Blockchain“ (Public Blockchain) und die „private Blockchain“.

In der „Public Blockchain“ kann sich grundsätzlich jede/r beteiligen. Insider sprechen von produktiver Anarchie. Jede/r kann – formal betrachtet – ohne Beschränkungen die Technik gegen Gebühr anwenden. Dies zieht aus Sicherheitsgründen einen hohen Rechenaufwand nach sich. Die „private Blockchain“ hat einen geringeren Rechenaufwand, da eine zentrale Instanz die Bedingungen der Nutzung autoritär festlegt. Zum Beispiel kann ein diktatorisch handelnder Staat den Kreis der Teilnehmenden begrenzen und nur ausgewählten Akteuren Zugang gewähren. Eine Kombination aus der öffentlichen und der privaten Variante ist als erlaubte Kette („Permissioned Blockchain“) auf dem Weg.

Unter Fachleuten weist die „Public Blockchain“ Vorteile wie etwa Dezentralisierung, Transparenz und Vertrauen auf. Allerdings ist der Datenschutz löchrig, da aufgrund der verteilten Datenbanken viele Akteure Leserechte haben. Vor allem aber zeigt dieser Weg eine äußerst schlechte Energiebilanz durch die hohen Energiekosten für zahllose Rechner und Server.

Das Ringen um europäische bzw. weltweite Standardisierungen hat einen Verbund großer Unternehmen (IBM, Microsoft, Daimler, Airbus etc.) zusammengebracht, die das Phänomen „Blockchain“ als weltweites OpenSource-Vorhaben unter dem Namen „Hyperledger-Projekt“ (frei übersetzt: eine Art Hauptkontobuch) neu erfinden, um diese Technik für eine Nutzung durch Industrieunternehmen sowie durch Dienstleister zu öffnen. Die „Blockchain“ soll die Wertschöpfung in Industrie und Dienstleistungen optimieren: „Blockchain“ als Service via Cloud ist somit bereits kommerziell verfügbar.

Die Anwendung der „Blockchain“-Technologie unterstreicht das Denken und Handeln in virtuellen Wertschöpfungskontexten. Eine Verknüpfung mit der Realwirtschaft und materiellen Gütern wird zunächst vermieden. Es geht primär um die Verwertung von Daten der Wertschöpfung mit Hilfe von autonomen Software-Agenten und Agenten-Systemen. Die „Blockchain“ wird infrastruktureller Bestandteil der digitalen Transformation von Wirtschafts- und Arbeitswelten.

Muss diese „Blöcke-Kette“ nicht auch der Mitbestimmung unterliegen? Ja, denn die Kette ändert Arbeitsabläufe, trägt personenbezogene bzw. personenbeziehbare Daten auf verteilte Server und kostet Arbeitsplätze.