Arbeit 4.0 benötigt Mitbestimmung 4.0

Die Fachwelt spricht über die „digitale Transformation“ von Wirtschaft und Arbeitswelt. Gemeint ist der Wandel hin zu „Arbeit 4.0“. Dieser Umbau der Arbeitswelt schließt sowohl die nachholende Digitalisierung der Betriebe wie auch die Öffnung hin zur Anwendung „autonomer Systeme“ ein. In vielen Betrieben werden heute erst digitale Technologien und digital gestützte Organisationsmodelle eingeführt, die aber als Technik schon seit Jahren auf dem Markt sind. Unter „autonomen Systemen“ sind nicht allein selbstfahrende Materialtransporter oder neue Robotergenerationen gemeint. Vielmehr haben wir es in Zukunft vermehrt mit Softwaresystemen zu tun, die selbst „denken“ und selbst „entscheiden“ sollen. In Echtzeit. Diese „autonomen Systeme“ sind die neue Herausforderung.

Der Wandel der Arbeit wird aus der Sicht von Beschäftigten mit den vorhandenen Mitbestimmungsmöglichkeiten nicht ausreichend gestaltbar sein. Betriebsräte wünschen sich mehr Mitbestimmung, um aus dem Wandel der Arbeit eine Humanisierung der Arbeit machen zu können. Dabei wird das Feld der Arbeitsgestaltung immer unübersichtlicher. Digital-virtuelle Arbeitswelten sind sehr flexibel und passen sich an neue Verfahren an. Immer mehr und schneller soll jeder Auftrag anders bearbeitet werden. Wertschöpfung im Betrieb und Wertschöpfung betriebsübergreifend werden virtuell verknüpft.

Betriebsräte sprechen von einer neuen „Unschärfe“ für Mitbestimmung: „Wie soll ich die Leitplanken passend anbringen, wenn ich die Kurve nicht rechtzeitig erkennen kann.“ Es gärt in den Köpfen von Betriebsräten. Wie kann Mitbestimmung vertieft und ihre Anwendung flexibler werden?

Auf dem Weg zur „Ultraeffizienzfabrik“?

Ein neuer Begriff für ein altes Thema? Ein aktuelles Zauberwort für das langwellige Feld der Nachhaltigkeit? – In der jüngsten Vergangenheit kursierten die Schlagworte „Kreislaufwirtschaft“ und „Cradle-to-Cradle“ („Von der Wiege wieder zur Wiege“). Mit ihnen verband sich das Ziel, schon bei der Planung von Produkten ihre spätere Wiederverarbeitung (Recycling) nach ihrer Nutzungszeit mitzudenken. Optimal erschien es, wenn die Wiederverwertung von Materialien möglichst vollständig gelänge.

Das aktuelle Konzept der „Ultraeffizienzfabrik“ greift die Erbschaft der bisherigen Diskussion über Nachhaltigkeit (Sustainability) auf und verknüpft sie mit den Potenzialen von „Industrie 4.0“. Mit Hilfe der Digitalisierung und Virtualisierung soll die Möglichkeit von Material- und Energieeffizienzen verbessert und die Tür zur deutlichen Verringerung des CO2-Ausstoßes und zur Kostensenkung noch erfolgreicher geöffnet werden. Ziel ist es, dass es keine Produktionsemissionen, keine Produktabfälle und keine Recyclingreste mehr geben solle. So könnte „Industrie 4.0“ mit dem Zwei-Grad-Ziel des globalen Klimaschutzes verbunden werden.

Hierin läge eine Chance für Betriebsräte und Gewerkschaften, den digitalen Wandel der Arbeit mit der Neuschaffung von umweltschonender Beschäftigung sowie zukunftsweisender industrieller Produktion zu kombinieren. Das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA), das die Idee der „Ultraeffizienzfabrik“ maßgeblich verbreitet, sieht darin zudem auch einen Weg zur „mitarbeiterzentrierten Fabrik“.

Mehr als hilfreich wäre dabei allerdings eine Erweiterung der Mitbestimmung im Sinne von „Mitbestimmung 4.0“, damit die erreichten Effizienzrenditen im Betrieb investiert werden und wirklich in neue Arbeitsplätze fließen.

Projektidee auf dem Weg zu „Mitbestimmung 4.0“?

Dieses noch unbestimmte Stichwort folgt den derzeitig gängig benutzten Begriffen „Industrie 4.0“ und „Arbeit 4.0“. Eines der wesentlichen Ziele von „Industrie 4.0“ ist die Digitalisierung und Virtualisierung betriebsübergreifender Wertschöpfungsketten. In Echtzeit sollen Geschäfts- und Arbeitsprozesse mit Hilfe besonderer elektronischer Werkzeuge wie etwa CPS Cyber Physical Systems umsetzbar werden. Diese Umorganisation von Arbeitsabläufen fordert die Mitbestimmung von Betriebsräten heraus. Wie aber soll eine betriebsübergreifende, entlang der Wertschöpfungskette angelegte Mitbestimmung aussehen? „Mitbestimmung 4.0“ in „Industrie 4.0“?

Im gewerkschaftsnahen Forum Soziale Technikgestaltung wurde jüngst eine herausfordernde Idee durchgespielt: Könnten neue Erfahrungen dadurch gesammelt werden, in dem ein ausgewählter Mitbestimmungsvorgang entlang einer firmenübergreifenden Auftragsabwicklung als Experimentiermodus im virtuellen Raum simuliert wird? Kann ein Betriebsräte übergreifender Mitbestimmungsprozess unter aktiver Nutzung des Cloud Computing, der CPS-Anwendungen und des Softbot-Einsatzes beispielhaft durchgespielt werden, um die Kommunikationsabläufe, Hindernisse, Schranken und Potenziale zu überprüfen?

Durch die Nutzung zentraler Instrumente von „Industrie 4.0“ für die Arbeit des Betriebsrates könnten Erfahrungen gesammelt, Risiken identifiziert und konstruktive Lösungen herausgefunden werden. Praxistests und Pilotierungen erbringen neues Erfahrungswissen. Zugleich könnten die Beteiligten lernen, wie sich interessengeleitete Technikgestaltung leichter operativ durchsetzen ließe. – Wer hat Erfahrungen mit einem solchen Ansatz? Wie könnte er realisiert werden?