Einladung zum Fachworkshop: Ethische und soziale Kriterien zur Gestaltung algorithmischer Steuerungs- und Entscheidungssysteme

Ein Dialog zwischen dem „Forum Soziale Technikgestaltung“ (FST), dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und Cyber Valley anlässlich „Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“

Workshop am 27. Oktober 2021 von 14.30 Uhr bis 18.45 Uhr in den Räumen des Fraunhofer IAO in Stuttgart-Vaihingen

Seit langem arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an mathematisch-technischen Systemen, die die Arbeit des Menschen auf sogenannte „intelligente“ Weise effizienter gestalten und erleichtern sollen. Dabei entstehen auf der Basis von Maschinellem Lernen auch vielfältige Modelle oder Systeme, die unter dem Begriff „Künstliche Intelligenz“ zusammengefasst werden. Im Kern geht es dabei oft um die Frage, wie komplexe Analyseprozesse auf ein digitales algorithmisches System übertragen werden können und nach welchen mathematisierbaren Kriterien diese (Assistenz-)Systeme Entscheidungen treffen sollen.

Das gewerkschaftliche „Forum Soziale Technikgestaltung“ befasst sich seit dreißig Jahren mit der Humanisierung digital gestützter Arbeitswelten. Seit mehreren Jahren entwickelt das FST Kriterien zur Gestaltung algorithmischer Steuerungs- und Entscheidungssysteme. In dem Dialog-Fachworkshop soll der bisherige Stand der FST-Kriterien zur Diskussion gestellt und weiterentwickelt werden. Das FST spricht in Ergänzung zum Begriff „Assistenztechnik“ von der notwendigen Gestaltung der „Delegationstechnik“.

Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO entwickelt gemeinsam mit Unternehmen, Institutionen und Einrichtungen der öffentlichen Hand Strategien, Geschäftsmodelle und Lösungen für die digitale Transformation. Es ist mitverantwortlich für das KI-Fortschrittszentrum »Lernende Systeme«, das durch Technologietransfer die Lücke zwischen KI-Spitzenforschung und der breiten Anwendung in der produzierenden Industrie schließt.

Cyber Valley ist Europas größtes Forschungskonsortium im Bereich der künstlichen Intelligenz mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie. Das Land Baden-Württemberg, die Max-Planck-Gesellschaft mit dem Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme, die Universitäten Stuttgart und Tübingen sind u.a. die Gründungspartner dieser Initiative. Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO ist assoziiert mit Cyber Valley.

Ablauf

14.30 Uhr Begrüßung und Einführung
Ziele des Dialog-Workshops
Welf Schröter, Leiter des Forum Soziale Technikgestaltung beim DGB Baden-Württemberg
Dr. Matthias Tröndle, Cyber Valley, General Manager

14.45 Uhr Vortrag I
Ethische Anforderungen an die Gestaltung von KI-Technologien
PD Dr. Jessica Heesen, Forschungsschwerpunkt Medienethik und Informationstechnik (Leitung), Internationales Zentrum für Ethik in den Wissenschaften, Universität Tübingen

15.15 Uhr Rückfragen

15.30 Uhr Vortrag II
Soziale Kriterien für die Gestaltung algorithmischer Steuerungs- und Entscheidungssysteme zwischen Assistenz- und Delegationstechnik
Welf Schröter, Leiter des „Forum Soziale Technikgestaltung“, Mitbegründer der „Allianz Industrie 4.0 Baden-Württemberg“

16.00 Uhr Rückfragen

16.15 Uhr Kaffeepause

16.40 Uhr Vortrag III
Anforderungen an die Entwicklung von KI-Systemen
Dr. Matthias Peissner, Leiter Forschungsbereich Mensch-Technik-Interaktion, Fraunhofer IAO, Partner im Cyber Valley

17.10 Uhr Nachfragen

17.25 Uhr Vortrag IV
Die Gestaltung von KI-Systemen aus betriebsrätlicher Perspektive
Monika Heim, Festo SE & Co. KG, Betriebsrat Esslingen

17.55 Rückfragen

18.10 Uhr Moderierte Plenumsdiskussion der Vortragenden und Teilnehmenden
Moderation: Patrick Klügel, Cyber Valley, Public Engagement Manager

18.45 Uhr Ende der Veranstaltung

Eintritt frei. Anmeldung erforderlich bei: Welf Schröter schroeter@talheimer.de

 

Rückblick auf die erste Hälfte des FST-Jubiläumsjahres 2021

Die Veranstaltungen anlässlich „Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“ vom Februar bis Juli 2021

Zusammen mit Partnerinnen und Partnern konnten in der Zeit von Februar bis Juli 2021 eine Reihe von Online-Veranstaltungen und zahlreiche Online-Vorträge anlässlich des Jubiläums „Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“ stattfinden. Sechzehn offene Online-Abende und elf Online-Vorträge in geschlossenen Belegschaftskreisen erreichten mehrere hundert Kolleginnen und Kollegen. Im Zentrum stand ein neues Verständnis von Digitalisierung und die beabsichtigte Ausweitung der Mitbestimmung. Für letztes steht das Projekt „Der mitbestimmte Algorithmus“. Das unten angefügte pdf-Dokument zeigt einen Rückblick auf die sechzehn Anlässe.

Seit nunmehr dreißig Jahren besteht das Netzwerk „Forum Soziale Technikgestaltung“ (FST) beim DGB Baden-Württemberg. Der Schritt zur Gründung im Herbst 1991 war eine soziale Innovation. Ein horizontales Netzwerk mit ganzheitlichem Ansatz wollte und will die Gestaltungskompetenz der Frauen und Männer in Betriebs- und Personalräten, in Vertrauensleutegremien und Belegschaften stärken. Aus den 120 Gründungsbeteiligten erwuchs eine Community mit heute mehr als 4.600 Personen. Kompetent, interessengeleitet und zielgerichtet mischen sich Kolleginnen und Kollegen in die Technikentwicklung und Technikimplementierungen ein. Statt Fremdbestimmung und Entlassungen soll die Humanisierung der Arbeitswelten und die Beschäftigungssicherung mitbestimmt voran gebracht werden.

Siehe: (Rückblick_FST-Jubiläumsreihe_Februar-Juli_2021.pdf)

 

Was bedeutet „internes Crowdsourcing“?

Seit längerem gibt es eine ausführliche Gestaltungsdebatte über das sogenannte „externe Crowdsourcing“. Darunter ist vorwiegend zu verstehen, dass Arbeitsinhalte in großen und kleinen Häppchen aus Unternehmen über elektronische Plattformen an sich bewerbende Soloselbstständige – auch Freelancer, Freie, Clickworker, Crowdworker genannt – nach draußen vergeben und verteilt werden. Die Bezahlung erfolgt pro Einzelauftrag. Für Sozialabgaben, Netzzugang, Technik, Gesundheit, Qualifizierung sind die Bewerber/innen selbst verantwortlich. Diese neue Arbeitswelt pendelt zwischen elektronischem prekärem Tagelöhnertum am Rande wettbewerblicher Plattformen und besser bezahlten qualifizierten Fachkräften, die ihre Arbeitskraft und Kompetenz teurer verkaufen können. Kern der Prozesse ist das Faktum, dass die so arbeitenden Menschen weder zum Betrieb noch zum Geltungsbereich der Mitbestimmung gehören.

Parallel dazu entfaltet sich derzeit – vor allem zunächst in großen Betrieben – ein neues Phänomen, das sich „internes Crowdsourcing“ nennt. Hierbei sollen Arbeitsprozesse innerhalb des Unternehmens über eine elektronische Plattform neu organisierbar werden. Alle Beteiligten gehören zum Unternehmen und alle Neuordnungen unterliegen in der Regel der Mitbestimmung des Betriebsrates. Mit diesem „internen Crowdsourcing“ wird derzeit in mehreren größeren Betrieben experimentiert.

„Internes Crowdsourcing“ erscheint an manchen Stellen zunächst als Fortführung des alten „Vorschlagswesens“ oder des internen Innovationsmanagements. Dabei sollen auf freiwilliger Basis neue innovative Ideen der Menge der Beschäftigten (crowd) per Plattform abgeschöpft (sourcing) werden. Bei guter mitbestimmter Organisation kann dieses freiwillige kreative Verfahren zu Verbesserungen, zu neuen Produkten und Dienstleistungen beitragen.

Zugleich kann dieser Weg in neue Plattformarbeitswelten auch zu einem verpflichtenden auftragsbezogenen Innovationsprozess führen. Per Direktionsrecht könnten Beschäftigte zu auftragsbezogenem „internen Crowdsourcing“ gedrängt werden. Man stelle sich einen Kundenauftrag vor, der zwar das Ziel anvisiert, aber den technischen Umsetzungsweg offen lässt. Flexible agile Teams sollen dann innerhalb des Unternehmens Wissen abschöpfen, um ergebnisorientiert neue Lösungen zu ermöglichen. Damit wäre „internes Crowdsourcing“ nicht mehr freiwillig und kreativ, sondern angeordnet und zeitlich orientiert.

Das „interne Crowdsourcing“ hat mehrere Gesichter. Sowohl die freiwillige Variante wie die verpflichtende Vorgehensweise sollten über mitbestimmte Betriebsvereinbarungen (BV) geregelt werden. Gut ausgehandelte BVs können mit Hilfe des „internen Crowdsourcing“ (IC) neue Bausteine hin zu einer möglichen Humanisierung der Arbeitswelten liefern. Ungeregelte „IC“-Einführungen öffnen die Tür zu einer neuen Runde der Flexibilisierung von Arbeitsorganisationen.

 

Plädoyer für ein besonderes kooperatives Aushandlungsmodell

Das vom Bundesforschungsministerium geförderte FuE-Projekt „Prävention 4.0“ befasst sich mit den Fragen, wie eine Humanisierung der sich wandelnden Arbeitswelten am Beispiel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes gestalterisch möglich ist. Dabei stellt „Prävention 4.0“ ganz bewusst jene Software-Technologien in den Fokus des Interesses, die als (teil-)autonom handelnde „selbstlernende“ Techniken das tatsächlich Neue an der x-ten Phase der „Digitalisierung“ darstellen.

Auf seinem zweiten Kongress präsentierte das Vorhaben seine Zwischenergebnisse. Der Kongress stand unter dem Thema »Prävention 4.0 – sicher, gesund und produktiv« des BMBF-Verbundprojektes „Prävention 4.0“ und der Offensive Mittelstand und fand am 16. November 2017 in der Zeche Zollverein in Essen statt.

Auf der analytischen Basis von „Prävention 4.0“ und auf der Grundlage des gesammelten Erfahrungswissens des gewerkschaftlichen Netzwerkes „Forum Soziale Technikgestaltung“ skizzierte der Leiter des FST ein diesbezüglich angepasstes betriebliches Aushandlungsmodell. In einer Art Querdenker-Vortrag rief der Moderator des FST auf, mutig den Weg eines „agilen kooperativen Changemanagements“ auf Grundlage einer gleichnamigen Betriebsvereinbarung zu gehen. Der knapp 20-minütige Impuls („Es lebe die Revolution! Autonome Software-Systeme humanisieren die Arbeitswelt!“) eröffnete eine andere Perspektive auf die mögliche Gestaltung der „digitale Transformation“.

Der Vortrag kann nachgehört werden auf dem Youtube-Kanal des Forum Soziale Technikgestaltung.

 

Betriebsräte üben sich nun vermehrt in „vorausschauendem Gestalten“

Immer wieder fragen sich Kolleginnen und Kollegen, was denn nun an der „digitalen Transformation“ tatsächlich neu sei. Seit mehr als dreißig Jahren rollt eine Digitalisierungswelle nach der anderen durch die Arbeitswelten. In den 80iger Jahren sprach man von der „Informatisierung der Arbeit“. In den 90igern kamen die Begriffe „Multimedia“, „Electronic Business“, „Telearbeit“ und „E-Working“ auf. Seit zehn Jahren wollen kluge Köpfe die „Smart Factory“ und das „Internet der Dinge“ umsetzen. Vor mehr als zehn Jahren gab es die ersten einsatzfähigen „klugen Brillen“ („Smart Glasses“). Die ersten alltagstauglichen Smartphones kamen 1996 auf den Markt. Der erste Tarifvertrag(!) zu mobilem Arbeiten wurde 1996 unterschrieben. Nun was ist wirklich neu?

Tatsächlich technisch innovativ sind allerdings Software-Technologien, die der früheren Technik in einem Kernpunkt voraus sind: Diese neue Software steuert Prozesse nicht nur bedarfsgerecht reaktiv, sie kann vor allem Arbeitsschritte vorausdenken und vorausstrukturieren. Diese sogenannten „autonomen Software-Systeme“ (ASS) fordern von Betriebsräten neue Kompetenzen. Kolleginnen und Kollegen sind gedrängt, ein vorausschauendes Denken und Handeln zu entwickeln, um mit der Software auf gleicher Augenhöhe zu bleiben.

Wenn „autonome Software-Systeme“ die Arbeitsschritte und Arbeitstakte in Echtzeit mehrere Schritte voraus vorgeben, dann ist eine Arbeitsgestaltung, die nur reagiert, grundsätzlich immer zu spät. Wenn ein ASS in Fertigung und Dienstleistung beim arbeitenden Menschen Betroffenheit auslöst, ist zumeist die Möglichkeit der traditionellen Arbeitsgestaltung bereits erschöpft.

Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und Humanisierung der Arbeitswelten gelingt zukünftig am ehesten dann, wenn die Anforderungen der Betriebsräte schon beim Start „autonomer Software-Systeme“ in diese aktiv integriert sind. Dazu müssen wir lernen, in den Kategorien des vorausschauenden Schützens und des vorausschauenden Gestaltens zu denken. Dies gehört zu dem wirklich Neuen der „digitalen Transformation“.

„Blog Zukunft der Arbeit“ auf der Frankfurter Buchmesse

Erhebliches Interesse lösten Gesprächsangebote und Präsentationen des „Blog Zukunft der Arbeit“ bei den Besucher/innen der Frankfurter Buchmesse aus. Gemeinsam mit weiteren Partnern stellte die Blog-Moderation die jüngsten Trends und Erfahrungen bei der sozialen Gestaltung der „digitalen Transformation“ im Betrieb und im industrienahen Dienstleistungsbereich vor.

Gerade die Fragen nach Beschäftigungssicherung, Daten- und Identitätsschutz sowie Arbeits- und Gesundheitsschutz standen dabei im Vordergrund. Interesse und viele Fragen ergaben sich aus den Schilderungen über Potentiale und Risiken des modernen „Crowdworking“. Gewünscht wurden soziale Standards für „Clickworker“.

Auch die gesellschaftspolitischen Herausforderungen bewegten die Gemüter: Führt „Arbeit 4.0“ zur Humanisierung der Arbeit oder zu mehr Taylorisierung und Entfremdung? Entsteht mehr sozialer Zusammenhalt oder mehr Atomisierung?

Über den Stand der Entwicklung soll auf der nächsten Buchmesse berichtet werden.

 

Eindrücke von der Hannover Messe (I): Der Traum der „Matrix Production“

Schon gehört vom neuen Konzept der „Matrix Production“? In Halle 17 der Hannover Messe 2016 offerierten Frauen und Männer aus den Ingenieur- und Informatik-Szenen der Maschinenhersteller ihren neuesten Techniktraum.

Den Kern bilden kleine flexibel konfigurierbare Produktionszellen. Jede Produktionszelle besteht aus vier „einarmigen“ Klein-Robotern. Mehrere Dutzend dieser Produktionszellen werden wie ein großes mathematisches Carrée – oder auch „Raster“ – in einer Werkhalle hintereinander in parallelen Reihen aufgestellt. Die Anzahl der Produktionszellen schwankt nach Bedarf, nach Auftragslage. Die „Matrix“ atmet.

Die Planer dieser Anlage beschreiben sie nüchtern und scheinbar neutral: „Alle Zellen sind mit prozessneutralem Equipment und typenneutraler Grundfunktionalität ausgestattet.“ Die Zellen sind „über eine frei programmierbare Bauteillogistik miteinander verkettet“. Das Ziel: „Skalierbarkeit in Variantenvielfalt“, „Modularität“ und „Typenflexibilität“.

Zwischen den Produktionszellen bewegen sich autonome, sich selbst steuernde Fahrzeuge, sogenannte mobile Transportroboter (Automated Guided Vehicles AGVs). Die vernetzten Produktionseinheiten werden als Cyber Physical Production System CPPS verstanden. Menschen sind in dieser „Matrix Production“ nicht vorgesehen.

Mit Hilfe virtualisierender Brillen kann sich der Mensch in die Matrix hineinbegeben, um entweder den Robotern und den „AGVs“ bei der Arbeit zuzuschauen, oder aber, um eventuelle Störungen im Ablauf oder im Transport nicht nur am Cockpit zu verfolgen sondern auch sich diese dreidimensional per intelligenter Sehhilfe veranschaulichen zu lassen.

Die Wucht der „Matrix Production“ entsteht weniger über die Beantwortung der Frage, ob diese Matrix-Organisation der Humanisierung der Arbeitswelt nachkommt, als vielmehr in der inneren Flexibilität der Zellenanordnung. Man könnte die Matrix zunächst verstehen als Produktionsanlage für typenmäßig gleiche Montagebauteile, die je nach Kundenauftrag spezifiziert werden. Die Masse der Produktionszellen lässt somit massenhafte „Losgrößen Eins“ fertigen. Dies wäre die Perspektive der unternehmensinternen flexiblen vertikalen Wertschöpfungskette.

Einen deutlich anderen Charakter erfährt das „Matrix“-Szenario, wenn man versteht, dass jede Produktionszelle einem völlig anderen Auftrag folgen kann. Die „Matrix-Production“ bildet dann einen Baustein neuer Infrastrukturen für flexible horizontale Wertschöpfungsketten.

Das könnte zu dem ungewöhnlichen Gedanken verleiten, jede Produktionszelle repräsentiere einen eigenständigen Auftrag bzw. Geschäftsprozess. Der Matrix-Betreiber wäre dann lediglich eine Art Facility Manager, der externen Akteuren (Dienstleistern) Produktionszellen vermietet.

Die flexible Konfigurierbarkeit als unternehmensinterne vertikale oder aber als unternehmensübergreifende horizontale Wertschöpfungskette gibt dieser potenziellen Vier-Null-Matrix eine unerhört starke Wirkungskraft. Dem Entwicklungsteam gilt wegen seiner softwaretechnischen Leistung zweifellos Respekt.

Doch der Traum des Teams ist in sich widersprüchlich: Oberflächlich betrachtet erinnert die „Matrix Production“ an das gescheiterte Konzept der menschenleeren Fabrik, an die „CIM“-Träume (Computer Integrated Manufacturing) der achtziger und neunziger Jahre. Der technikzentrierte Ansatz berücksichtigt nicht die große Bedeutung des intuitiven Erfahrungswissens der Mitarbeiter/innen. Ohne diesen „weichen“ Aspekt wird „Matrix“ nicht nachhaltig ans Ziel kommen können.

Selbstironisch inszenierte das Team auch gleich eine andere Produktionszelle: Zwei einarmige Roboter schenken den Besuchern Bier ein. Der eine Roboter hebt die Flasche an, öffnet sie und gießt den Inhalt in das Glas, das der zweite Roboter erst kurz zuvor spült, um es dann seinem „Kollegen“ zum Füllen hinzuhalten und um es im Anschluss dem durstigen sprachlosen natürlichen Betrachter hinüberzureichen.

Wenn Technik dem arbeitenden Menschen vorausdenkt …

Mit der Entwicklung der CPS-Technik tritt den Betriebsräten, Vertrauensleuten und Gewerkschaften eine richtig dicke Nuss entgegen. Die will erstmal geknackt sein. Doch dies geht nicht allein mit dem traditionellen Denkansatz der räumlichen und zeitlichen Gestaltung des Arbeitsplatzes.

Was heute CPS heisst (Abkürzung für Cyber Physical System) nannte sich vor Jahren schon das Internet der Dinge oder RFID. Unscharf ausgedrückt ist es der Sensor-Chip am Gegenstand. Das neue an CPS ist nicht der Sensor, nicht der Chip und auch nicht seine Zuordnung zum Gegenstand.

Neu ist die Qualität seiner Anbindung an das globale Netz. CPS ist kein statisches Gebilde, was als einmal hergestellt immer so bleibt. Da CPS ständig am Netz immer Daten empfangen und immer Daten senden kann, verfügt es über die Eigenschaft, die Techniker gerne als „Denken“ bezeichnen. CPS sammelt. CPS „denkt“. CPS „lernt“. Herausfordernd wird es, wenn CPS-Einheiten dem arbeitenden Menschen Vorgaben machen, den Takt geben und dem Menschen in den Handlungsschritten voraus sind. Wenn sie durch das ständige Empfangen neuer Daten dem Menschen ständig voraus sind. In Echtzeit. Die IT-Leute sagen: „CPS denkt voraus.“

Das Internet der Dinge ist nicht mehr statisch. Es lernt. Es geht dem Menschen voran. – Was bedeutet dies aber für die Forderung nach Selbstbestimmung in der Arbeit und für die Humanisierung der Arbeit? Momentan sieht es so aus, dass entweder die CPS-Technologie verändert und dem Menschen angepasst werden muss oder aber der arbeitsweltliche Gestaltungs- und Humanisierungsansatz zu greifen hat, bevor das CPS in seine Echtzeit-Welt gestartet wird.

Dann wäre die Gestaltung erforderlich auf der Ebene der Prozessorganisation, der komplexen Prozessorganisation. Nur so ließe sich die Beschleunigungswirkung von Echtzeitanwendungen positiv beeinflussen. So ließe sich nachhaltig vermeiden, dass der arbeitende Mensch nur noch zum taktgebundenen Assistent des CPS verwandelt würde. – Wir müssen neu (nach)denken.