Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung – Rede von Martin Kunzmann

Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung beim DGB Baden-Württemberg
Rede von Martin Kunzmann, Vorsitzender des DGB Baden-Württemberg

Jubiläumsveranstaltung „Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“ mit dem Titel „Zukunft Mitbestimmung 2025 – Von der Mitbestimmung über die Anwendung der Technik zur Mitbestimmung in der Gestaltung der Technik“ am 13. Oktober 2021 im Willi-Bleicher-Haus in Stuttgart

Es ist ein besonderes Jubiläum, zu dem ich Sie und Euch heute herzlich willkommen heiße, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir feiern heute „Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“ beim DGB Baden-Württemberg. Es ist ein Jubiläum der Würdigung und der Wertschätzung aller ehrenamtlicher Kolleginnen und Kollegen, die das Netzwerk über 30 Jahre getragen haben. Und es ist ganz wesentlich dein Jubiläum, lieber Welf. Du bist Ideengeber, Organisator, Gesicht und Stimme des FST! Danke für diese herausragende Leistung!

Dreißig Jahre Technikgestaltung sind dreißig Jahre der Auseinandersetzung mit der Digitalisierung der Arbeitswelten. Gemessen an der Geschwindigkeit, mit der sich die Digitalisierung weiterentwickelt, ist es eine Epoche. Das zeigt schon das Spannungsfeld auf: Was ist das Wissen heute noch wert, das sich ein Programmierer 1991 angeeignet hat? Wie können die Beschäftigten ein ganzes Arbeitsleben lang Schritt halten mit der technischen Entwicklung? Die Gewerkschaften sind nicht technikfeindlich.

Wir verstehen uns als Teil der Lösung, nicht des Problems. Das gilt für die Gestaltung der sozial-ökologischen Transformation genauso wie für die Digitalisierung. Aber wir haben ganz klare Anforderungen: Der Mensch muss an erster Stelle stehen. Die Technik ist lediglich ein Instrument, um Arbeit zu verbessern. Sie ist kein Selbstzweck. Genau das ist die Kernaufgabe und das Selbstverständnis des Forums: Im Geiste der Humanisierung der Arbeit rückt es die Würde des Menschen ins Zentrum des technologischen Wandels: die der Beschäftigten genauso wie die der Erwerbssuchenden. Das ist auch eine Frage der Ethik! Damit bildet das FST einen Gegenpol zu den Mark Zuckerbergs und Elon Musks dieser Welt!

Die umfangreichen Leistungen des „Forum Soziale Technikgestaltung“ haben den Frauen und Männern in Betriebs- und Personalräten, in Belegschaften und Gewerkschaften neue Wege aufgezeigt, wie Menschen den digitalen Umbau ihrer Berufs- und Lebenswelten nach ihren Interessen beeinflussen und verbessern können. Dabei galt und gilt ein Leitmotiv, auf das du, lieber Welf, sehr zu recht großen Wert legst: Technische Innovationen sind nur dann wirklich dauerhaft erfolgreich, wenn sie mit sozialen Innovationen verknüpft sind.

Hard- und Software stellen als sogenannte „harte technische Faktoren“ des Wandels nur ungefähr fünfzig Prozent der Erfolgschancen dar. Die anderen fünfzig Prozent werden von den „weichen, nichttechnischen Faktoren“ gebildet. Letztere sind die entscheidenden Punkte für das Gelingen einer tatsächlichen Innovation. Eine Datenbank kann noch so ausgefeilt sein, wenn sie nicht benutzerfreundlich ist, wird sie links liegen gelassen.

Die Motivierung der Menschen, ihre Qualifizierung, ihr Wunsch nach sozialer Sicherheit, ihre Forderung nach Gleichberechtigung, ihr Streben nach Anerkennung, Ihre Lebensplanung, ihr Ringen um Selbstbestimmung gehören mitten hinein in die Technikdebatte. Der Schlüssel zum Erfolg einer Innovation liegt nicht primär in der Einführung der Technik. Es ist vielmehr die Ermutigung der Menschen, die Prozesse in Gang setzt.

Genau das ist eure Kompetenz, liebe FSTler*innen. Ihr ermutigt, beratet und begleitet Kolleginnen und Kollegen, die mit diesen Fragestellungen konfrontiert sind. Auch in Berlin wird eure Arbeit gewürdigt. Ich zitiere aus der Grußadresse des DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann:

Als das „Forum Soziale Technikgestaltung“ (FST) am 7. Oktober 1991 im Stuttgarter Gewerkschaftshaus, dem heutigen „Willi-Bleicher-Haus“, gegründet wurde, trafen sich 120 Frauen und Männer aus Beschäftigtenvertretungen und Gewerkschaften. Über dreißig Jahre hinweg ist die Zahl auf über 4.650 Frauen und Männer aus Betriebs- und Personalräten sowie aus Belegschaften angewachsen. Kolleginnen und Kollegen aus Produktion und Dienstleistung, aus Verwaltung und Handwerk, aus Bildungs- und Sozialträgern, aus Kirchen und Wissenschaften führen Erfahrungs- und Fachwissen im Netzwerk zusammen. Dafür gilt dem Initiator, Mitbegründer und Leiter des „Forum Soziale Technikgestaltung“, dem Kollegen Welf Schröter, großer Dank und Anerkennung. Er steuert moderierend das Netzwerk immer wieder nach vorne in die aktuellen technologischen Herausforderungen. (Zitat-Ende)

Teil dieser Moderation waren die Einladungen an Gäste, an wissenschaftlich nahestehende Freundinnen und Freunde wie an politische Kontrahenten. So diskutierten im Forum unter anderem Joseph Weizenbaum vom Massachusetts Institute of Technology, Frieder Naschold vom Wissenschaftszentrum Berlin, Hans-Jörg Bullinger von der Fraunhofer-Gesellschaft, Menno Harms, damals Chef von Hewlett Packard, Jutta Rump vom Institut für Beschäftigung, Sabine Pfeiffer heute an der Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Zu nennen sind zudem auch Ralf Reichwald von der Technischen Universität München wie auch Dieter Klumpp von der SEL-Stiftung für Kommunikationsforschung. Der frühere Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg Berthold Huber betonte in seiner Festrede zum zehnjährigen Bestehen des FST die Rolle von Bildung im digital gestützten Wandel. Zu seinem Auftritt 2001 erschienen die früheren Bezirksleiter Gerhard Zambelli und Ernst Eisenmann. Walter Riester schrieb als Bundesminister für Arbeit eine Grußbotschaft. Die Liste der Gäste und Gespräche ließe sich noch lange, lange fortsetzen.

Das „Forum Soziale Technikgestaltung“ sucht den Dialog und findet ihn. Doch diese Debatten waren nicht von Beliebigkeit geprägt. Aus pluralen Argumentationen entstanden Handlungsempfehlungen für Beschäftigtenvertretungen. In all diesen Jahren haben die Aktiven des Forums ihre Arbeit nicht leicht gemacht. Das FST forderte sicherlich auch die Gewerkschaftsmitglieder heraus, die am eingeübten Status quo festhalten wollten. Es irritierte durch Vorschläge wie etwa die Beschleunigung der Einführung digitaler Werkzeuge, die zügige Einführung von Telearbeit, die raschere Nutzung von Cloud-Plattformen. Obwohl das FST sich eindeutig für eine sozial gestaltete Digitalisierung aussprach, warnte das Forum zugleich vor einer Technikfixierung. Denn eine einseitige Technikzentrierung schwächt die Position der Beschäftigten und die Chancen der Mitbestimmung. „Wer nur von der Technik aus denkt, hat schon den Weg zum Misserfolg eingeschlagen“, betont Welf Schröter immer wieder.

In seinem Denkpapier zur „Fortschreibung der „Innovationsstrategie 2020“ der Landesregierung von Baden-Württemberg“ äußerte Welf – ich zitiere: „Das Denken von den Menschen her und das Denken von den Prozessen her muss das technikzentrierte und produktzentrierte Denken ablösen.“

Heute im dreißigsten Jahr fordert das „Forum Soziale Technikgestaltung“ die Gewerkschaften erneut heraus. Seit rund fünf Jahren arbeitet das FST an einer neuen zusätzlichen Gestaltungsstrategie. Sie wird diskutiert unter dem Motto „Der mitbestimmte Algorithmus“. Neue digitale Möglichkeiten verlangen neue Lösungen. Ich zitiere noch einmal Reiner Hoffmann:

Heute ist der Ansatz des mehrfach ausgezeichneten „Forum Soziale Technikgestaltung“ aktueller und wichtiger denn je. Mit dem herausfordernden Projekt „Der mitbestimmte Algorithmus“ mischt sich das FST selbstbewusst in die Debatte um die Zukunft algorithmischer Steuerungs- und Entscheidungssysteme – auch „Künstliche Intelligenz“ genannt – mit eigenen Anforderungen und Kriterien ein. Das FST ist ein lernendes Netzwerk. Lernend im Sinne eines menschlichen Miteinanders und der Durchsetzung der Interessen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Erwerbssuchenden und Selbstständigen. (Zitat-Ende)

Die Kolleginnen und Kollegen im FST rufen uns auf, uns für ungewohnte Gedanken und Ansätze zu öffnen. Wir dürfen nicht hinter der Technikentwicklung herlaufen. Wir müssen den Anspruch erheben, steuernd einzugreifen. Das Projekt „Der mitbestimmte Algorithmus“ verlangt von Beschäftigtenvertretungen wie auch von den Gewerkschaften eine qualitative Erweiterung der bisherigen Interessens-, Betreuungs- und Beratungstätigkeiten. Wir müssen uns stärker einmischen. Soziale Technikgestaltung muss deutlicher im Fokus unseres Handelns liegen. Gestaltung heißt dabei, dass sich die Akteure auf gleicher Augenhöhe begegnen.

Lieber Welf, seit der Gründung im Jahr 1991 leitest Du das „Forum Soziale Technikgestaltung“. Ich will auf ein paar Punkte der vollbrachten Arbeit eingehen:

• In manchen Jahren hast Du achtzig bis hundert Vorträge in zwölf Monaten gehalten.
• In den zurückliegenden dreißig Jahren hattest Du schätzungsweise um die zweitausend öffentliche Auftritte.
• Du nimmst an nicht-öffentlichen Sitzungen von Konzern- und Gesamtbetriebsräten, von Gesamtpersonalräten, Personalräten und Betriebsräten teil.
• Du warst in Dutzenden von Technologieprojekten von Bundes- und Landesministerien, von EU und Kommunen involviert.
• Du hast weit über hundert Fachaufsätze geschrieben und mehr als anderthalb Dutzend Fachbücher herausgegeben.
• Du veröffentlichst im Blog Zukunft der Arbeit.
• Du warst mehrere Jahre E-Government-Beauftragter des DGB Baden – Württemberg.
• Du gehörtest längere Zeit dem Arbeitskreis Technologiepolitik beim DGB Bundesvorstand an.
• Du wirktest zeitweise im Gesprächskreis des Ressorts Zukunft der Arbeit beim Vorstand der IG Metall.
• Ulrike Zenke von der IG Metall Heidelberg und Du, Ihr gründeten im Jahr 2009 das regionale Betriebsrätenetzwerk ZIMT.
• Gemeinsam mit Verdi und mehreren Gesamtpersonalräten hast Du einen mehrjährigen Arbeitszusammenhang zur sozialen Gestaltung von Electronic Government und „Virtuellen Rathäusern“ initiiert.
• Im Jahr 2015 wurdest Du für das „Forum Soziale Technikgestaltung“ eigenständiges Gründungsmitglied der vom damaligen Wirtschaftsminister Nils Schmid gestarteten „Allianz Industrie 4.0 Baden-Württemberg“.
• Heute unterstützt Du das vom Bundesarbeitsministerium geförderte Netzwerk „Initiative Neue Qualität der Arbeit INQA“ und bist in den INQA-Netzwerken „Offensive Mittelstand“ sowie „Offensive Gutes Bauen“ aktiv.
• Zusammen mit Partnerinnen und Partnern aus Baden-Württemberg hast Du an der Gründung des Netzwerkes „Sozialer Zusammen in digitaler Lebenswelt“ mitgearbeitet.
• Du organisierst seit bald fünfundzwanzig Jahren den Dialog „Arbeitswelt trifft Philosophie – Philosophie trifft Arbeitswelt“.
• Gemeinsam mit zahlreichen Kolleginnen und Kollegen hast Du beziehungsweise habt Ihr das FST-Planspiel „BetriebsratsArbeit auf Basis autonomer Software.-SYsteme BABSSY“ entwickelt und in die betriebsrätliche Bildungsarbeit eingeführt.
• Seit kurzem gibt es für das „Forum Soziale Technikgestaltung“ einen eigenen Youtube-Kanal, in dem mehr als zwanzig Video- und Audio-Dateien mit aufgezeichneten Vorträgen zu finden sind.
• Vor wenigen Tagen startete am 5. Oktober das neue Betriebsratsprojekt „PROTIS-BIT“ zur Gestaltung von Algorithmen, das von der IG Metall Heidelberg, dem Betriebsräte-Netzwerk ZIMT und dem „Forum Soziale Technikgestaltung“ getragen wird. Die Hans-Böckler-Stiftung fördert das Vorhaben.

Diese Auflistung stellt noch nicht einmal alle FST-Aktivitäten der letzten dreißig Jahre dar.

Für die Tätigkeiten wurden das FST und Du mehrfach geehrt. Für seine Verdienste um den Aufbau von Kompetenz auf dem Gebiet der Technikgestaltung wurde das „Forum Soziale Technikgestaltung“ im April 2021 mit einem Anerkennungspreis der Integrata-Stiftung Tübingen im Rahmen der Verleihung des „Wolfgang-Heilmann-Preises 2021“ ausgezeichnet.

Lieber Welf, Du hast für Betriebs- und Personalräte, für Gewerkschaften und Belegschaften wahrlich Großes geleistet und leistest es noch. Im Namen des DGB Baden-Württemberg und seiner Mitgliedsgewerkschaften möchte ich Dir von ganzem Herzen meinen besonderen Dank für Deine enorme Arbeit aussprechen.

Ebenso danke ich allen Kolleginnen und Kollegen, die im „Forum Soziale Technikgestaltung“ ehrenamtlich aktiv sind und sich für Wege zu „Guter Arbeit“ einsetzen. Sie alle leisten gemeinsam wichtige Beiträge für eine bessere Arbeitswelt, für eine bessere Lebenswelt.

Die Arbeit des „Forum Soziale Technikgestaltung“ ist getrieben von dem Anspruch, die Arbeitswelt und unsere Gesellschaft humaner zu gestalten. Es geht, – um es in den Worten der Widerstandskämpferin und Architektin Karola Bloch zu sagen –, um „die Sehnsucht des Menschen, ein wirklicher Mensch zu werden“. In diesem Sinne „Glück auf!“

 

„Der mitbestimmte Algorithmus“: Übersicht über die Jubiläumsveranstaltungen „Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“

Zum Thema „Der mitbestimmte Algorithmus“ findet anlässlich des Jubiläums „Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“ (FST) eine Reihe von Veranstaltungen und Fachdialogen statt, mit denen wir unsere Kriterien zur Gestaltung neuerer digitaler Herausforderungen in der Arbeitswelt zur Diskussion stellen. Mit den neuen Herausforderungen sind jene technischen Innovationen gemeint, die als sogenannte „Künstliche Intelligenz“ bezeichnet werden. Im FST-Projekt „Der mitbestimmte Algorithmus“ verwenden wir die uns passendere Benennung „Algorithmische Steuerungs- und Entscheidungssysteme“. Die Veranstaltungen wenden sich an Frauen und Männer in Betriebs- und Personalräten und Belegschaften, an Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, an Bürgerinnen und Bürger sowie an Personen aus Arbeitgeber- und Wissenschaftszusammenhängen. Hier die Übersicht zu den Tagungen mit den Links zu den Programmangaben und den jeweils unterschiedlichen Anmeldemöglichkeiten :

Online-Veranstaltung am 5. Oktober 2021 für Betriebsräte und Beschäftigte: Einladung von IG Metall Heidelberg und „Forum Soziale Technikgestaltung“ zum Projektstart: Betriebsräte gestalten „intelligente“ Technologien. Link zum Programm.

Offizielle DGB-Veranstaltung am 13. Oktober 2021 für Kolleginnen und Kollegen aus den Gewerkschaften im DGB-Haus in Stuttgart: Einladung von DGB Baden-Württemberg und „Forum Soziale Technikgestaltung zur Tagung „Zukunft Mitbestimmung 2025“. Link zum Programm.

Einladung zur Fachveranstaltung am 19. Okt. 2021 im Haus der Wirtschaft in Stuttgart anlässlich „Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“: „KI zwischen Mythos und Realität. Gestaltungshorizonte und Gestaltungspotenziale für algorithmische Entscheidungssysteme in Unternehmen und betrieblichen Arbeitswelten“. Eine Veranstaltung der „Allianz Industrie 4.0 Baden-Württemberg“ in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk „Forum Soziale Technikgestaltung“ (FST) und dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA sowie mit dem von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Projekt „PROTIS-BIT“ anlässlich des Jubiläums „30 Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“ (1991–2021). Link zum Programm.

Einladung zum Fachdialog am 27. Oktober 2021 in Stuttgart zwischen dem „Forum Soziale Technikgestaltung“, dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und Cyber Valley anlässlich „Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“: „Ethische und soziale Kriterien zur Gestaltung algorithmischer Steuerungs- und Entscheidungssysteme“. Link zum Programm.

Einladung zur Bürger-Diskussion am 29./30. Oktober 2021 in Rottweil in der Veranstaltung des Fritz-Erler-Forums / Friedrich-Ebert-Stiftung Baden-Württemberg, der Evangelischen Kirchengemeinde Rottweil und des „Forum Soziale Technikgestaltung“ – unterstützt vom Netzwerk „Sozialer Zusammenhalt in digitaler Lebenswelt“: Der Mensch im Mittelpunkt: IST DIE ,KÜNSTLICHE INTELLIGENZ‘ DIE INTELLIGENZ DER ZUKUNFT? Link zum Programm.

Einladung zum Online-Vortrag „Zur Demokratisierung des Algorithmus“ in der Reihe „Arbeitswelt trifft Philosophie – Philosophie trifft Arbeitswelt“ am 18. November 2021 im Rahmen der UNESCO-Aktion „Lange Nacht der Philosophie“ in Kooperation mit der „Langen Nacht der Philosophie Zürich“ – Eine Veranstaltung im Rahmen des Jubiläums „Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“ (1991-2021). Link zum Programm und zur Anmeldung.

Einladung zur Tagung für Betriebs- und Personalräte am 24. bis 25. November 2021 in der Evangelischen Akademie Bad Boll: Der demokratisierte Algorithmus – 30 Jahre „Forum Soziale Technikgestaltung“. Link zum Programm und zur Anmeldung.

Einladung zum Fachdialog „Wenn Algorithmen schnell gut wirken sollen. Impulse für neue sozialpartnerschaftliche Aushandlungsmodelle zur beschleunigten Einführung algorithmischer Systeme“. Ein gemeinsamer Dialog-Workshop von Baden-Württemberg: connected und „Forum Soziale Technikgestaltung“ anlässlich „Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“ am 30. November 2021 im Haus von Baden-Württemberg: connected in Stuttgart. Programm und Anmeldung.

Seien Sie willkommen! Jeweilige Anmeldung vorab ist erforderlich.

Zum Jubiläum „Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“: Grußadresse des DGB-Bundesvorsitzenden Reiner Hoffmann an die Mitglieder des Netzwerkes „Forum Soziale Technikgestaltung“

Liebe Kolleginnen und Kollegen des gewerkschaftlichen Netzwerkes „Forum Soziale Technikgestaltung“ beim DGB Baden-Württemberg,
lieber Welf,

was für eine große ehrenamtliche Leistung: Das „Forum Soziale Technikgestaltung“ wird 30 Jahre alt! Seit dreißig Jahren setzt Ihr Euch für eine Humanisierung digitaler Arbeitswelten ein. Ich möchte Euch im Namen des DGB Bundesvorstandes meinen Dank für Euer Engagement ausdrücken. Ihr habt den Menschen ins Zentrum eines weitreichenden technologischen Wandels gestellt. Ihr setzt Euch für die humane, soziale, ethische und ökologische Gestaltung von Arbeits- und Lebenswelten in Vielfalt ein. Das verdient hohen Respekt und ist zugleich Ermutigung für die Zukunft. Ihr wart und seid Vorreiter in der Gestaltung neuer Online-Arbeitsprozesse. Und diese Fragen werden in den nächsten Jahren noch deutlich an Bedeutung gewinnen.

Als das „Forum Soziale Technikgestaltung“ (FST) am 7. Oktober 1991 im Stuttgarter Gewerkschaftshaus, dem heutigen „Willi-Bleicher-Haus“, gegründet wurde, trafen sich 120 Frauen und Männer aus Beschäftigtenvertretungen und Gewerkschaften. Über dreißig Jahre hinweg ist die Zahl auf über 4.650 Frauen und Männer aus Betriebs- und Personalräten sowie aus Belegschaften angewachsen. Kolleginnen und Kollegen aus Produktion und Dienstleistung, aus Verwaltung und Handwerk, aus Bildungs- und Sozialträgern, aus Kirchen und Wissenschaften führen Erfahrungs- und Fachwissen im Netzwerk zusammen. Rechnet man den demografischen Wandel, die Zugänge und altersbedingten Rückzüge hinzu, so waren in diesem Forum über den genannten Zeitraum rund 8.000 Menschen aktiv. Das ist eine stolze Bilanz. Dafür gilt dem Initiator, Mitbegründer und Leiter des „Forum Soziale Technikgestaltung“, dem Kollegen Welf Schröter, großer Dank und Anerkennung. Er steuert moderierend das Netzwerk immer wieder nach vorne in die aktuellen technologischen Herausforderungen.

Die Gründung des FST wurde von dem damaligen DGB-Landesvorsitzenden Siegfried Pommerenke, dem damaligen IG Metall- Bezirksleiter Walter Riester, dem damaligen Vorsitzenden der GEW Baden-Württemberg Rainer Dahlem und von der damaligen ÖTV-Vorsitzenden Monika Wulf-Mathies unterstützt. Zu den späteren besonderen Vortragsgästen zählten u. a. die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Joseph Weizenbaum, Frieder Naschold, Hajo Braczyk, Hans-Jörg Bullinger, Jutta Rump, Ortwin Renn, Sabine Pfeiffer, Ralf Reichwald, Kira Stein und Constanze Kurz. Zum zehnjährigen Bestehen hielt Berthold Huber, der damalige Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg, die Festrede.

Heute ist der Ansatz des mehrfach ausgezeichneten „Forum Soziale Technikgestaltung“ aktueller und wichtiger denn je. Mit dem herausfordernden Projekt „Der mitbestimmte Algorithmus“ mischt sich das FST selbstbewusst in die Debatte um die Zukunft algorithmischer Steuerungs- und Entscheidungssysteme – auch „Künstliche Intelligenz“ genannt – mit eigenen Anforderungen und Kriterien ein. Das FST ist ein lernendes Netzwerk. Lernend im Sinne eines menschlichen Miteinanders und der Durchsetzung der Interessen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Erwerbssuchenden und Selbstständigen. Dabei gilt das unveränderliche Leitmotiv, dass Technik dem Menschen zu dienen habe und nicht umgekehrt.

Ich wünsche allen Beteiligten des „Forum Soziale Technikgestaltung“ auch weiterhin viel Kraft, Mut und Erfolg. Ich danke Euch sehr für Eure Arbeit, die auch andere zu ermutigen vermag.

Mit herzlichen Grüßen
Reiner Hoffmann
Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes
September 2021

 

Einladung zur Tagung für Betriebs- und Personalräte „Der demokratisierte Algorithmus“

Einladung zur Tagung „Der demokratisierte Algorithmus“ – 30 Jahre „Forum Soziale Technikgestaltung“ am 24. bis 25. November 2021 in der Evangelischen Akademie Bad Boll

Im Prozess der digitalen Veränderungen der Arbeitswelt müssen Perspektiven immer wieder neu überprüft werden. Die Fachtagung zum Jubiläum des Netzwerks „Forum Soziale Technikgestaltung“ bietet dazu sozialwissenschaftliche Expertise und reichlich Gelegenheit zur gemeinsamen Diskussion. Die Soziologin Prof. Dr. Sabine Pfeiffer zeigt im Eröffnungsvortrag, wie ökonomische Beweggründe die digitalen Veränderungen antreiben: „Digitalisierung als Distributivkraft – Über das Neue am digitalen Kapitalismus“. Welf Schröter analysiert in seinem Beitrag die Fragen: Wo stehen wir im Projekt „Der mitbestimmte Algorithmus“? Wie gelingt die partizipative Mitwirkung von Beschäftigten? Wie geht der Weg weiter zum „Demokratisierten Algorithmus“? Dr. Bettina-Johanna Krings vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse vermittelt in ihrem Beitrag Einblicke aus einem aktuellen Projekt zu ethischen Kriterien bei der Gestaltung von „Künstlicher Intelligenz“. – Die Jubiläumstagung will vor allem Betriebs- und Personalräte zur Diskussion einladen und Impulse vermitteln, wie das Ziel einer mitbestimmten und demokratisierten Arbeitswelt vorangebracht wird.

Link zum Tagungsflyer und Link zur Programm-WebSite der Evang. Akademie Bad Boll

Programm

Mittwoch, 24. November 2021

13:00 Uhr Ankunft in der Evangelischen Akademie Bad Boll, Zimmerbezug, Willkommenskaffee

14:00 Uhr Einführung Auf dem Weg zum „demokratisierten Algorithmus“ – 30 Jahre „Forum Soziale Technikgestaltung“ – Partner der Evangelischen Akademie Bad Boll
Begrüßung durch Karl-Ulrich Gscheidle, Wirtschafts- und Sozialpfarrer Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (KDA)

14:15 Uhr Vortrag Digitalisierung als Distributivkraft – Über das Neue am digitalen Kapitalismus
Prof. Dr. Sabine Pfeiffer, Lehrstuhl für Soziologie (Technik-Arbeit-Gesellschaft), Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

15:00 Uhr Rückfragen

15:15 Uhr Vortrag Zukunft der Arbeit und Erweiterung der Mitbestimmung: Das Projekt „Der mitbestimmte Algorithmus“ des „Forum Soziale Technikgestaltung“
Welf Schröter, Mitbegründer und Leiter des „Forum Soziale Technikgestaltung“, Mitbegründer der „Allianz 4.0 Baden-Württemberg“, Projekt PROTIS-BIT, Projekt „KARL“, Redaktion „Latenz“

16:00 Uhr Rückfragen

16:15 Uhr Kaffeepause

16:45 Uhr Parallele Arbeitsgruppen
Arbeitsgruppe 1: Digitaler Kapitalismus (Karl-Ulrich Gscheidle)
Arbeitsgruppe 2: Der mitbestimmte Algorithmus (Welf Schröter)

18:00 Uhr Abendessen

19:30 Uhr Erinnerungen an dreißig Jahre „Forum Soziale Technikgestaltung“
Im Gespräch mit Welf Schröter und den Gästen Ulrike Zenke (IG Metall Heidelberg, Mitbegründerin des Betriebsräte-Netzwerkes ZIMT) und Michael Schwemmle (damals Deutsche Postgewerkschaft, dann ver.di und langjähriger Geschäftsführer der Input Consulting). Moderation: Karl-Ulrich Gscheidle

Donnerstag, 25. November 2021

08:00 Uhr Morgenimpuls

08:20 Uhr Frühstück

09:00 Uhr Einführung in den Tag – Ergebnisse der Diskussionen vom Vortag
Karl-Ulrich Gscheidle, Welf Schröter

09:20 Uhr Ethische Kriterien zur Gestaltung der „Künstlichen Intelligenz“
Dr. Bettina-Johanna Krings, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS), Projekt „KARL“

09:50 Uhr Rückfragen

10:00 Uhr Parallele Arbeitsgruppen (Fortsetzung)

10:45 Uhr Kaffeepause

11:00 Uhr Fortsetzung der Arbeitsgruppen

11:45 Uhr Abschlussplenum – Ergebnisse der Tagung (Karl-Ulrich Gscheidle, Welf Schröter)

12:30 Uhr Mittagessen / Ende der Tagung

Bitte melden Sie sich bis spätestens 5. November 2021 an unter Link zur Anmeldung
Sie erhalten eine Anmeldebestätigung.

Gesamtpreis/Person: Bei Unterbringung im Einbettzimmer 130,00 €, bei Unterbringung im Zweibettzimmer 112,00 €. Ohne Übernachtung und Frühstück 63,00 €. In allen Preisen ist die gesetzliche Mehrwertsteuer enthalten. Kosten für nicht eingenommene Mahlzeiten werden nicht erstattet. Gäste ohne Übernachtung zahlen das Frühstück an der Rezeption.

 

Ein Impulspapier bewertet die Bedeutung des Klimaschutzurteils des Bundesverfassungsgerichtes

„Vorschriften, die jetzt CO2-Emissionen zulassen, begründen eine unumkehrbar angelegte rechtliche Gefährdung künftiger Freiheit, …“ Mit dieser höchstrichterlichen Feststellung und weiteren einschlägigen Aussagen hat sich das Bundesverfassungsgericht (BVG) mit seinem Urteil (März/April 2021) ungewöhnlich klar in die Klimaschutz-Debatte eingemischt. In einem in mehrfacher Hinsicht epochalen Urteil stärkt das BVG die Bürgerrechte und die Rechte der jungen Generation. Welche Folgen hat dieser Rechtsspruch für die Wirtschaft und die Arbeitswelten? Was müssen Arbeitgeber und Gewerkschaften nun leisten?

In einem gemeinsamen persönlichen Impulspapier regen Andreas Ihm, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Betriebsführung im Deutsches Handwerksinstitut e. V., Angelika Stockinger, Koordinatorin „Regionales Netzwerk Offensive Mittelstand Baden-Württemberg“, und Welf Schröter, Leiter des „Forum Soziale Technikgestaltung“ beim DGB Baden-Württemberg, eine intensive Diskussion über die Auswirkungen des Gerichtsentscheides an.

Das Autorenteam wünscht sich, dass die INQA-Netzwerke „Offensive Mittelstand Baden-Württemberg“ und „Offensive Gutes Bauen Baden-Württemberg“ sich ermutigen, um bundesweit Vorreiter einer Zielbestimmung der Klimaneutralität zu werden. Das Team stellt die Fragen: Wie werden unsere Arbeits- und Geschäftsumgebungen innerhalb eines Jahrzehntes klimaneutral? Wie kann Netzwerkarbeit dabei unterstützend helfen?

Das Impulspapier endet mit dem Gedanken: „Die Netzwerke würden zu Multiplikatoren eines notwendigen und unaufschiebbaren Bewusstseinswandels. INQA war der Entstehungsort der Offensiven, damit könnte man das Akronym ,INQA‘ nicht nur als ,Initiative Neue Qualität der Arbeit‘ sondern als ,Initiative Nachhaltige Qualität der Arbeit‘ lesen.“

Link zum Impulspapier (pdf-Datei)

 

Veranstaltungen anlässlich „Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“

Seit nunmehr dreißig Jahren besteht das Netzwerk „Forum Soziale Technikgestaltung“ (FST) beim DGB Baden-Württemberg. Der Schritt zur Gründung im Herbst 1991 war eine soziale Innovation. Ein horizontales Netzwerk mit ganzheitlichem Ansatz wollte und will die Gestaltungskompetenz der Frauen und Männer in Betriebs- und Personalräten, in Vertrauensleutegremien und Belegschaften stärken. Aus den 120 Gründungsbeteiligten erwuchs eine Community mit heute mehr als 4.600 Personen. Kompetent, interessengeleitet und zielgerichtet mischen sich Kolleginnen und Kollegen in die Technikentwicklung und Technikimplementierungen ein. Statt Fremdbestimmung und Entlassungen soll die Humanisierung der Arbeitswelten und die Beschäftigungssicherung mitbestimmt voran gebracht werden.

Im Zeitraum von Februar bis Juni 2021 finden eine Reihe von öffentlichen Onlineveranstaltungen mit zahlreichen Partnerinnen und Partnern statt. Nach der Sommerpause folgen mehrere Tagungen in Präsenz. Interessierte sind freundlich eingeladen und werden gebeten, sich anzumelden. Werfen Sie einen Blick ins Programm, wählen Sie aus und seien Sie willkommen.

Link zum Programm: (FST-Jubiläumsprogramm_Teil_A_Februar_bis_Juni_2021)

 

Der Mensch muss im Zentrum stehen – Beschäftigte gestalten Technik und Arbeitswelt

Aus Anlass des dreißigjährigen Bestehens des „Forum Soziale Technikgestaltung“ (FST) (1991–2021) organisieren das Fritz-Erler-Forum Baden-Württemberg / Friedrich-Ebert-Stiftung mit dem „Forum Soziale Technikgestaltung“ beim DGB Baden-Württemberg unterstützt vom Netzwerk „Sozialer Zusammenhalt in digitaler Lebenswelt“ eine gemeinsame Online-Veranstaltungsreihe. Die Reihe trägt den Titel „Der Mensch muss im Zentrum stehen – Beschäftigte gestalten Technik und Arbeitswelt“.

Mit welchen Motiven und welchen Zielen starteten 120 Frauen und Männer aus Betriebs- und Personalräten, Belegschaften und Gewerkschaften die soziale Innovation eines horizontalen Gestaltungsnetzwerkes? Was wurde erreicht? Was ist misslungen? Wie hat sich die Gestaltungsarbeit gewandelt? Was wurde in dreißig Jahren Netzwerkarbeit auf dem Gebiet der Digitalisierung und Mitbestimmung gelernt? Warum muss sich Mitbestimmung heute ändern? – Auf diese und weitere Fragen will die Reihe Antworten geben und dabei auch an einige besondere Ereignisse wie den FST-Auftritt von Joseph Weizenbaum (1923–2008) erinnern, dem prominenten Computer-Vordenker am Massachusetts Institute of Technology (MIT) der USA und zugleich friedensaktiven „Ketzer der Informatik“.

Zum Programm: Der Mensch muss im Zentrum stehen 

 

Der 100. Blog-Eintrag: Bringt die digitale Transformation eine Rückbildung oder eine Weiterentwicklung der Arbeitswelt?

Als vor rund fünfzig Jahren das einflussreiche Buch von Johannes Agnoli und Peter Brückner mit dem Titel „Die Transformation der Demokratie“ erschien, trug das Wort „Transformation“ etwas Warnendes und Bedrohliches in sich. Die Autoren analysierten die Geschichte der jungen Bundesrepublik Deutschland seit 1949. Dabei stellten sie eine Rückbildung und politisch gewollte Rückentwicklung („Involution“) der Demokratie fest. Deutlich wurde dies – so die Autoren – unter anderem an der Durchsetzung der Notstandsgesetze, wogegen die damalige außerparlamentarische Opposition laut protestierte.

Heute begegnet uns der Begriff „Transformation“ erneut, jedoch anders, diesmal als Verheißung, als „digitale Transformation“ von Wirtschaft, Arbeitswelt und Gesellschaft. Heute eröffnet der Begriff ein eher janusköpfiges Potenzial: Die digitale Transformation kann den Weg ebnen zu einer Ausweitung von Demokratie, sozialen Standards, Partizipation und Mitbestimmung oder aber zu deren gegenläufiger Tendenz. Auch die Rückbildungen von Demokratie und sozialen Standards sind denkbar.

Für viele Betriebsrätinnen und Betriebsräte gilt die digitale Transformation als Chance für eine Humanisierung der Arbeit und als Option für ein „Mehr Demokratie wagen“.

Neben der noch nicht aufgelösten Janusköpfigkeit zeigt der Transformations-Begriff noch eine weitere innere Spannung: Um den Prozess der digitalen Transformation nachvollziehbar und erklärbar zu machen, muss die Dynamik des Transformierens verlangsamt werden. Beteiligungsorientierte Demokratie benötigt Zeit. Verlangsamung aber beeinträchtigt – so die Stimmen der Arbeitgeber – die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und ihrer Produkte. Ein betriebsrätlich-gewerkschaftliches Handeln muss sich an der Lerngeschwindigkeit der Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder orientieren. Als vermeintliche „Avantgarde“ den Mitgliedern vorauszueilen und ihnen dabei zu enteilen, kann keine tragfähige Lösung sein.

Zugleich müssen sich Betriebsrätinnen und Betriebsräte aber auch von Geschwindigkeiten technikinduzierter Innovationsprozesse leiten lassen. Gestaltungskompetenz der Beschäftigtenvertretungen kann nicht bedeuten, den Technikeinführungen hinterher zu laufen. Die zunehmende Einführung „Autonomer Software-Systeme“ (ASS) in Wartungsprozessen, Instandhaltung, Personalmanagement, Logistik und Geschäftsprozesssteuerungen verlangt vom Gremium Betriebsrat die Kompetenz zu „vorausschauender Arbeitsgestaltung“. Die Gestaltung der ASS erfordert eine deutliche Beschleunigung des Handelns der Beschäftigtenvertretungen.

Für die Lernprozesse des Betriebsratsgremiums kann die Spannung zwischen Verlangsamung und Beschleunigung nicht nach einer Seite aufgehoben werden. Die Kunst besteht darin, die Spannung zwischen beiden Polen aufrecht zu erhalten. Das mag je nach Lage der Kontroverse belastend sein. Aber es ist die einzig vernünftige Möglichkeit, den Zusammenhalt zu wahren.