„Transformation“ und „Mindset“

Nicht selten sieht man sich bei Veranstaltungen oder beim Lesen unterschiedlichster Medien mit Worten konfrontiert, die beeindrucken wollen und die die Botschaft vor sich hertragen, sie seien ganz neu. Ihr Inhalt sei gerade durch große Anstrengungen gewonnen worden und nun solle die gesamte Belegschaft erfahren, welch tolle Innovation frisch zur Welt gekommen ist.

Gönnen wir uns zwei Beispiele. Ein gängiges Schlagwort von Menschen, die sich als etwas Besonderes inszenieren wollen, lautet „Transformation“. Der Betrieb, die Werkstatt, das Büro, die Chefin, das Mitarbeiterteam – alle benötigen „Transformation“. Nur wer „Transformation“ kann, ist vorne und hat Anspruch, gewonnen zu haben. Mitte der neunziger Jahre nutzte man noch ein anderes Wort, nämlich „Wandel“. Alle benötigten „Wandel“. Nur wer sich wandelt, hat Zukunft, hieß es.

Nun mögen sich die Triebkräfte und die Rahmenbedingungen, die Bedürfnisse und Interessen seitdem weiterentwickelt haben, aber im Kern ist „Transformation“ einfach „Wandel“. „Trans“ klingt aber „angesagter“. Und wer den „Wandel“ hinterfragt, hört zugleich, dass wir „gerade“ in einer Phase des „Wandels“ leben. Der „Wandel“ bzw. die „Transformation“ sei „gerade“ das dynamisch Neue. Doch halt: Wer sich nicht nur „gerade“ mit Zeitgeschichte befasst, erkennt schnell, dass der „Wandel“ und die „Transformation“ Banalitäten darstellen: Veränderung ist immer. Gesellschaft und Geschichte kennen keinen Stillstand.

Warum sprechen wir nicht besser über Ziele und Interessen des „Wandels“ bzw. der „Transformation“. Welche Richtung sollen sie haben? Gibt es einen „Wandel“ hin zu mehr Humanisierung der Arbeit oder zu mehr Stress und Belastung? Die Begriffe „Wandel“ und „Transformation“ sind leer, wenn sie nicht mit den Bedürfnissen und Wünschen der Beschäftigten und Erwerbstätigen ausgefüllt werden.

Ein weiteres sich ausbreitendes Schlagwort spricht vom „Wandel im Mindset“. Was für eine Verhüllung. Heute heißt es, die Fähigkeit zum Wandel im „Mindset“ sei die Bedingung des beruflichen Erfolges. Bei näherer Betrachtung des nicht ganz neuen Wunderwortes blicken die bekannten Worte „Denkweise“, „Selbstbild“ und „Reaktionsweise“ zurück. „Mindset“ zeigt sich als Marketingbegriff, um Neues zu verheißen und doch nur Bekanntes zu liefern.

Zweifellos ist es von großer Bedeutung, wie Beschäftigte und Erwerbssuchende unterstützt und motiviert werden, wie sie ermutigt werden, damit sie sich neue Tätigkeiten zutrauen. Wer aber nach stetigem jahrelang und jahrzehntelang andauerndem Wandel der Arbeit wie der Arbeitsbedingungen der Erschöpfung nahekommt, will nichts von „Mindset“ und „Transformation“ hören, sondern Schutz und Ermutigung erfahren.

Wer wirklich Veränderung anstrebt, muss dies in Kooperation mit den Beschäftigten angehen, muss die erwünschte „Transformation“ durch die Brille der Betroffenen wie deren „Burn-out“ ansehen und die Vertiefung sozialer Standards als wesentlichen Motor des Umbaus erkennen.

„Wandel“ und „Transformation“ sind willkommen, wenn sie nicht nur technikzentriert argumentieren, sondern die Lebenslage der arbeitenden Menschen und deren Hoffnungen aufgreifen und die Interessen umsetzen. In diesem Sinne fehlt noch viel „Mindset“.

 

Black Lives Matter – Nur gestaltete Algorithmen können Diskriminierung verhindern helfen

Seit mehreren Jahren wird im gewerkschaftsnahen Forum Soziale Technikgestaltung (FST) über die Möglichkeiten diskutiert, wie neuere Formen von selbstentscheidender und sich-selbst-verändernder Software an rechtliche Vorgaben und soziale Standards angepasst werden können. Für die soziale Gestaltung von Algorithmen und algorithmischen Entscheidungssystemen hat das FST dreißig grundsätzliche (generische) Kriterien entwickelt und zur Diskussion gestellt. Auf diese Weise sollen Software-Systeme, die durch ständige neue Datenaufnahmen veränderte Entscheidungen treffen können, demokratisch und human ausgerichtet werden.

Diese Gestaltungsprozesse müssen einerseits durch neue Wege der betrieblichen Mitbestimmung durchgesetzt werden. Andererseits benötigt unsere politische Zivilgesellschaft verbindliche rechtliche Spielregeln, wie verankert und institutionell abgesichert werden kann, dass technische Systeme nicht die Oberhand über den Menschen, über die Bürgerin, über den Bürger gewinnen. Eine demokratische Gesellschaft muss gewährleisten, dass technische Innovationen als Assistenzsysteme wirken, aber nicht als Delegationssysteme anstelle des Menschen entscheiden. Der Mensch muss das Interventionsrecht besitzen. Entscheidungen über Menschen sind von Menschen zu treffen nicht von vermeintlich „selbstlernenden“ Software-Systemen.

Der Einsatz solcher algorithmischer Entscheidungssysteme in den Gesundheitswesen in den USA hat sehr deutlich gezeigt, dass nicht-gestaltete und gesellschaftlich nicht-kontrollierte Algorithmen vorhandene Vorurteile, Ausgrenzungen und Rassismen verstärken. Mangelhafte Aushandlungsprozesse zwischen Entwickelnden und Nutzenden (Spezifizierungen) befördern verdeckte oder offene Diskriminierung anstatt sie zu beseitigen. Auch für die gesellschaftliche Implementierung der Algorithmen und der algorithmischen Entscheidungssysteme gilt: Black lives matter.