Was bedeutet „internes Crowdsourcing“?

Seit längerem gibt es eine ausführliche Gestaltungsdebatte über das sogenannte „externe Crowdsourcing“. Darunter ist vorwiegend zu verstehen, dass Arbeitsinhalte in großen und kleinen Häppchen aus Unternehmen über elektronische Plattformen an sich bewerbende Soloselbstständige – auch Freelancer, Freie, Clickworker, Crowdworker genannt – nach draußen vergeben und verteilt werden. Die Bezahlung erfolgt pro Einzelauftrag. Für Sozialabgaben, Netzzugang, Technik, Gesundheit, Qualifizierung sind die Bewerber/innen selbst verantwortlich. Diese neue Arbeitswelt pendelt zwischen elektronischem prekärem Tagelöhnertum am Rande wettbewerblicher Plattformen und besser bezahlten qualifizierten Fachkräften, die ihre Arbeitskraft und Kompetenz teurer verkaufen können. Kern der Prozesse ist das Faktum, dass die so arbeitenden Menschen weder zum Betrieb noch zum Geltungsbereich der Mitbestimmung gehören.

Parallel dazu entfaltet sich derzeit – vor allem zunächst in großen Betrieben – ein neues Phänomen, das sich „internes Crowdsourcing“ nennt. Hierbei sollen Arbeitsprozesse innerhalb des Unternehmens über eine elektronische Plattform neu organisierbar werden. Alle Beteiligten gehören zum Unternehmen und alle Neuordnungen unterliegen in der Regel der Mitbestimmung des Betriebsrates. Mit diesem „internen Crowdsourcing“ wird derzeit in mehreren größeren Betrieben experimentiert.

„Internes Crowdsourcing“ erscheint an manchen Stellen zunächst als Fortführung des alten „Vorschlagswesens“ oder des internen Innovationsmanagements. Dabei sollen auf freiwilliger Basis neue innovative Ideen der Menge der Beschäftigten (crowd) per Plattform abgeschöpft (sourcing) werden. Bei guter mitbestimmter Organisation kann dieses freiwillige kreative Verfahren zu Verbesserungen, zu neuen Produkten und Dienstleistungen beitragen.

Zugleich kann dieser Weg in neue Plattformarbeitswelten auch zu einem verpflichtenden auftragsbezogenen Innovationsprozess führen. Per Direktionsrecht könnten Beschäftigte zu auftragsbezogenem „internen Crowdsourcing“ gedrängt werden. Man stelle sich einen Kundenauftrag vor, der zwar das Ziel anvisiert, aber den technischen Umsetzungsweg offen lässt. Flexible agile Teams sollen dann innerhalb des Unternehmens Wissen abschöpfen, um ergebnisorientiert neue Lösungen zu ermöglichen. Damit wäre „internes Crowdsourcing“ nicht mehr freiwillig und kreativ, sondern angeordnet und zeitlich orientiert.

Das „interne Crowdsourcing“ hat mehrere Gesichter. Sowohl die freiwillige Variante wie die verpflichtende Vorgehensweise sollten über mitbestimmte Betriebsvereinbarungen (BV) geregelt werden. Gut ausgehandelte BVs können mit Hilfe des „internen Crowdsourcing“ (IC) neue Bausteine hin zu einer möglichen Humanisierung der Arbeitswelten liefern. Ungeregelte „IC“-Einführungen öffnen die Tür zu einer neuen Runde der Flexibilisierung von Arbeitsorganisationen.

 

Gedanken zur CeBIT 2016: Bietet „Arbeit 4.0“ neue Chancen für Frauen?

Auf diese Frage wollten mehr als 100 Kolleginnen und einzelne Kollegen in Dresden anlässlich der gewerkschaftlichen Frauentagsveranstaltung zum 8. März eine Antwort finden. Im Vordergrund stand dabei die Frage, ob Zeitsouveränität und Arbeitszeitgestaltung geeignete Gesichtspunkte zur sozialen Gestaltung von „Arbeit 4.0“ in dem Sinne darstellen können, dass damit für Frauen neue Chancen eröffnet werden.

Iris Kloppich, Heidi Becherer, Manja Sellenthin (alle DGB) und Nele Heß (IG Metall) ermutigten ihre Kolleginnen, sich dem Thema „Arbeit 4.0“ zuzuwenden, sich einzumischen und ihre Interessen einzubringen. Auch wenn viele technische Begriffe und englische Schlagworte noch den Zugang erschweren. Impulse zur Durchsetzung individueller Zeitsouveränität aus weiblicher Perspektive auf der Basis digitaler Techniken schaffen neue Spielräume für Frauen.

Grundlage der Ermutigung für Ermutigerinnen war ein Beitrag von Dr. Yvonne Lott vom Forschungsinstitut WSI der Hans-Böckler-Stiftung. Sie bewertete aus wissenschaftlicher Sicht die Fortschritte einer an den Beschäftigten orientierten Flexibilisierung der Arbeitszeit. Sie ging der Frage nach, ob flexible Arbeitszeiten für Frauen und Männer im gleichen Maße vorteilhaft seien?

Zahlreiche Unternehmen verstünden Flexibilisierung so, dass Beschäftigte im HomeOffice freiwillig mehr arbeiteten. Da Frauen noch immer vor allem als jene angesehen werden, die für Haushalt und Kindererziehung verantwortlich sind, wird Flexibilität von Frauen in vielen Betrieben als nicht karriereförderlich angesehen. Diese weibliche Flexibilität sei ja kein Dienst am Betrieb sondern an der Familie. „Homeoffice von Vätern wird positiver bewertet als von Müttern“ (Lott).

Yvonne Lott rief die Gewerkschafterinnen dazu auf, das Thema Digitalisierung in die Frauenarbeit zu integrieren. Das Digitale führe nicht automatisch zu mehr Chancen, denn: „Anstelle des Aufweichens von Genderungleichheit durch Digitalisierung bleibt die geschlechtsspezifische Diskriminierung bestehen“ (Lott).