Impulse für den Umbau von Wirtschaft und Arbeitswelt in Richtung Klimaneutralität

Unter dem Dach der bundesweiten „Initiative Neue Qualität der Arbeit“ (INQA) sind in Baden-Württemberg zwei Netzwerke entstanden, die sich seit Jahren für eine Verbesserung der Qualität von Geschäfts- und Arbeitsprozessen einsetzen. „INQA“ wird vom BMBF und BMAS mitgetragen. Seit vielen Jahren wirkt das „Forum Soziale Technikgestaltung“ (FST) im Netzwerk „Offensive Gutes Bauen Baden-Württemberg“ und „Offensive Mittelstand Baden-Württemberg“ mit. Für das Jahr 2022 haben sich beide Netzwerke mit Unterstützung des FST für den grundsätzlichen Wandel hin zu Klimaneutralität als Handlungsschwerpunkt ausgesprochen. Für den 8. Juli 2022 wird ein Kongress zu diesem Leitthema vorbereitet.

Im Vorfeld findet eine große Anzahl von Online-Veranstaltungen statt, um fachlich zu informieren und neue Gestaltungsansätze zu präsentieren. Sogenannte Fokusgruppen greifen eine Fülle von Themen auf von der „Kreislaufwirtschaft“ bis zu Qualifizierungsfragen. Das Veranstalterteam schreibt in der Übersicht aller Themenabende: „Neben den Themen wie Digitalisierung, Fachkräftemangel, Humanisierung der Arbeitswelt und den Auswirkungen der Pandemie stand spätestens seit den Leitsätzen des Bundesverfassungsgerichts (BVG) vom 24. März 2021 die Themen Umwelt- und Klimaschutz, Nachhaltigkeit und schonende Nutzung von Ressourcen im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion.“

Das „Forum Soziale Technikgestaltung“ veranstaltet am 15. März 2022 um 18.00 Uhr bis 19.30 Uhr einen Onlinevortrag mit Diskussion zum Thema „Potenziale der Mitbestimmung zwischen Digitalisierung und Klimaneutralität – Das Projekt ,Der mitbestimmte Algorithmus‘ des ,Forum Soziale Technikgestaltung‘ (FST) und der FST-Vorschlag ,Moderierte Spezifikationsdialoge‘“.
Vortrag von Welf Schröter, Leiter des Forum Soziale Technikgestaltung (FST), Projekt PROTIS-BIT, Gründungsmitglied der „Allianz Industrie 4.0 Baden-Württemberg“, Partner im BMAS-INQA-Projekt DigiGAAB, Moderator des www.blog-zukunft-der-arbeit.de
Die Anforderung ist unzweideutig: Wirtschaft und Arbeitswelt müssen schneller klimaneutral werden. Wie kann der Prozess der gestalteten Digitalisierung diesen Wandel unterstützen? Wie kann die betriebliche Mitbestimmung auf dem Gebiet der sogenannten „Künstlichen Intelligenz“ zu Humanisierung und Klimaschutz beitragen? Das vom gewerkschaftsnahen „Forum Soziale Technikgestaltung“ vorangebrachte Projekt „Der mitbestimmte Algorithmus“ will durch ausgehandelte Kriterien für die Gestaltung algorithmischer Steuerungs- und Entscheidungssysteme (anderswo als „KI“ bezeichnet) und deren Implementierung in die Arbeitswelten diesen Umbau forcieren helfen. Moderierte Spezifikationsdialoge zwischen kommenden Anwendenden und Entwickelnden sollen interessensorientierte Lösungen ermöglichen.
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Zum 4. Mai 2022 lädt das FST um 18.00 Uhr zum Onlinevortrag mit Diskussion unter dem Titel „,Vorausschauende Regionalisierung‘ – Impulse für das Handwerk und für KMUs aus den Diskussionen im Handwerksprojekt DigiGAAB“.
Vortrag von Welf Schröter, Leiter des „Forum Soziale Technikgestaltung“ (FST), Projekt PROTIS-BIT, Gründungsmitglied der „Allianz Industrie 4.0 Baden-Württemberg“, Partner im BMAS-INQA-Projekt DigiGAAB, Moderator des www.blog-zukunft-der-arbeit.de
Wir kennen alle seit den neunziger Jahren, dass man Waren im Internet über eine Einkaufsplattform bestellen kann. Man nennt dies elektronischen Handel oder auch „E-Commerce“. Im Buchhandel hat sich in der Vergangenheit gezeigt, welche Folgen eine einseitige Radikalisierung des Bücherkaufens über das Netz mit sich bringt. Für das Bauhandwerk könnte eine vergleichbare Entwicklung einsetzen. Es ist zu erkennen, dass in naher Zukunft private Plattformbetreiber versuchen werden, komplette Handwerksdienstleistungen über Plattformen dem privaten Endkunden auf dem Sofa anzubieten. Die Übertragung des E-Commerce-Gedankens auf die Welt des Handwerks käme für viele Betriebe einer schwierigen Herausforderung gleich. Sie verlören schrittweise den direkten Kontakt zu ihren Kundinnen und Kunden. Die Betriebe würden zu Subunternehmen von Plattformbetreibern. Damit das Bauhandwerk einem ähnlichen Schicksal wie dem Buchhandel entgeht, muss es eigene Initiativen ergreifen. Das Konzept der „Vorausschauenden Regionalisierung“ (Schröter) könnte einen solchen Impuls unterstützen. Damit könnte einer Fremdsteuerung der Betriebe durch externe marktmächtige Plattformagenturen entgegengetreten werden. Notwendig ist es, die eigenen Geschäfts- und Kundendaten auf Plattformen rechtlich unter der Hoheit des Handwerks zu halten, um zu vermeiden, dass externe Plattformbetreiber mit Hilfe solcher Daten den Betrieben die Kundschaft abwerben.
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Link zur Übersicht des Vorlauf-Gesamtprogramms der Fokusgruppen

Link zum Impulspapier „Nachhaltigkeit als zusätzliches Leitmotiv – Das Ziel der Nachhaltigkeit als prägender Aspekt der Netzwerke ,Offensive Mittelstand‘ und ,Offensive Gutes Bauen‘ BA.-Wü. (INQA Partnernetzwerke) nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz“ (Version 2021)

 

Impulspapier zur Klimaneutralität wirkt nach

Im Sommer vergangenen Jahres haben sich verschiedene baden-württembergische Akteure aus Wirtschaft und Arbeitswelt zur Erstellung eines Impulspapieres über die Bedeutung von Klimaneutralität zusammengefunden. Einer der Anlässe war das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVG) zum verfassungsrechtlichen Klimaschutzziel.

Aus den regionalen INQA-Netzwerken „Offensive Gutes Bauen Baden-Württemberg (OGB BW)“ und „Offensive Mittelstand Baden-Württemberg (OM BW)“, zu deren Partner das „Forum Soziale Technikgestaltung“ (FST) gehört, kam der Anstoß zu einem Impuls, mit dem das Thema „Klimaneutralität“ im Geschäfts- und Arbeitsleben einen deutlich höheren Stellenwert erreichen sollte. Das FST hat daran aktiv mitgeschrieben. Die Abkürzung INQA steht für „Initiative Neue Qualität der Arbeit“. INQA wird vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wie auch vom Bundesforschungsministerium (BMBF) mitgetragen.

Das BVG hatte unter anderem festgehalten: „Das verfassungsrechtliche Klimaschutzziel des Art. 20a GG ist dahingehend konkretisiert, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur dem sogenannten „Paris-Ziel“ entsprechend auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.“

Als Folge des Impulspapiers (siehe pdf-Link unten) findet am 1. Juli 2022 ein gemeinsamer Kongress von OGB BW und OM BW in Stuttgart statt. Es sollen gute Beispiele für klimaneutrales Wirtschaften und Arbeiten präsentiert werden. Ab dem 18. Januar 2022 führen die Veranstaltenden eine lange Reihe von Online-Themen-Veranstaltungen durch. Das „Forum Soziale Technikgestaltung“ wirkt mit zwei Vorträgen zum Thema „Vorausschauende Regionalisierung“ (in Kooperation mit BMAS-Handwerksprojekt DigiGAAB) und zur Herausforderung „Der mitbestimmte Algorithmus“ (in Kooperation mit dem von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Betriebsräte-Projektes PROTIS-BIT) mit. Das Gesamtprogramm wird in Kürze veröffentlicht. Zum 18. Januar 2022 sind alle Interessierten zum Auftakt eingeladen (siehe Link zum Einladungspapier).

Link zum Impulspapier Klimaneutralität

Link zum Impulspapier Klimaneutralität auf der WebSite des BMAS-Projektes DigiGAAB

Link zum Einladungspapier für den 18.1.2022

 

Mit der Idee des Wandels wirkliche Fachkräfte finden

In großen und kleinen Betrieben, in Handwerk und Verwaltung werden kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesucht. Nicht selten spricht die Geschäftsleitung von „Fachkräften“, die dringend benötigt werden. Doch wer neue Mitglieder nur allein unter dem Gesichtspunkt der fachlichen Qualifikation sucht, begeht einen Denkfehler. Warum? Die gewünschten klugen Fachleute dürfen nicht nur versiert sein in ihrem beruflichen Können. Sie müssen auch in der Lage sein, die anstehenden Veränderungen der technischen und betrieblichen Abläufe zu kennen und mitzugestalten.

Wer als Führungskraft – etwa im Handwerk – Fachkräfte nur nach ihrem Fachportfolio einschätzt, investiert faktisch in die Vergangenheit, in die bisherige Wirkungsweise des Betriebes. Doch die Herausforderungen neuer Wertschöpfungsketten, neuer Globalisierungswirkungen und aktueller technischer Innovationen verlangen von Geschäftsleitung und Mitarbeiter-Team, den Wandel und Umbau der betrieblichen Prozesse neu zu denken.

Notwendig sind Fachkräfte für den Wandel, die mehr sind als nur Kräfte, die auf Vorhandenes setzen. Zu den Schlüsselthemen der Renovierungen gehören im Besonderen die Chancen und Bedrohungen, die von neuen Plattform-Welten kommen.

In der Vergangenheit wanderten einzelne Produkte wie Bücher, Schuhe, Parfüm, Haushaltswaren oder ähnliches aus dem Fachgeschäft um die Ecke hinaus auf nationale oder internationale Verkaufsplattform. Dort kann die Einzelkundschaft bestellen. Die Wertschöpfung wandert aus der Region ab. Kommunale Gewerbesteuereinnahmen sinken, da betriebliche Umsätze vor Ort zurückgehen. Die Zahl der Beschäftigten sinkt.

Ein vergleichbarer Prozess ist nun für die Verschiebung von Dienstleistungen hinein in digitale Plattformen zu erwarten. Damit werden Geschäfts- und Arbeitsprozesse zwischen Betrieb und Kundschaft, zwischen Betrieb und Betrieb, zwischen Betrieb und Lieferant, zwischen Betrieb und öffentlicher Verwaltung neu austariert. Wer in diesem tatsächlichen „Transformationsprozess“ nicht aufpasst, verliert seine Kundschaft an ferne Plattformen und an große Billig-Player, die vorgeben, fachlich verlässlich zu sein. Die zu suchenden neuen Köpfe, die erwünschten „Fachkräfte“ müssen diesen Vorgang des Wandels verstehen und mitbeeinflussen können. Es gilt, die Wertschöpfung des Handwerks und der Kleinbetriebe wie der kleinen Mittelständler am Standort zu halten.

Die Bedrohung kommt nicht primär von der Digitalisierung. Die Bedrohung kommt vom unzureichenden Verständnis der Plattformpotenziale und vom fehlenden Mut, sich mit der den notwendigen Umsatz sichernden Regionalisierung von Wertschöpfung intensiv zu befassen. Erforderlich ist ein mehrseitiger Dialog über praktische Gestaltungsschritte hin zu einer „vorausschauenden Regionalisierung“ (Schröter, BMAS-Projekt DigiGAAB) handwerklicher Wertschöpfungen auf der Basis neuester digitaler Möglichkeiten.