Mitbestimmte Algorithmen

Noch finden in den meisten Unternehmen technologische Veränderungen statt, bei denen Technikbasislösungen, die es schon lange gibt, nun erst im Betrieb eingeführt werden. Man kann zu Recht von einer „nachholenden Digitalisierung“ sprechen. Dazu gehören mobile Endgeräte, „intelligente“ Kleidung, „intelligente“ Brillen sowie wesentliche Teile des „Internets der Dinge“. Eine neue Qualität der digitalen Transformation entfaltet sich dort, wo solche Technik verwendet wird, die den Menschen nicht nur physisch entlastet, sondern ihm zugleich kognitive Prozesse samt Entscheidungen abnehmen will.

Wer sogenannte „Autonome Software-Systeme“ (ASS) gestalten will, trifft auf einen besonderen Umstand, dass nämlich bestimmte ASS nach ihrem Start nicht mehr gestaltbar sind. Es muss vorher geschehen. Betriebsräte sind gefordert, auf ASS im Rahmen einer „vorausschauenden Arbeitsgestaltung“, eines „vorausschauenden Arbeitsschutzes“ und einer vorausschauenden Prävention so einzuwirken, dass bestimmte nachteilige Folgen für den Menschen nicht entstehen.

Die laufende Diskussion zeigt, dass der soziale Gestaltungsprozess somit bereits am und im Algorithmus ansetzen muss. Es beginnt ein Gestaltungsdiskurs über „mitbestimmte Algorithmen“. Dies würde bedeuten, dass soziale Anforderungen von der Beschäftigtenseite artikuliert werden und diese über einen IT-gestützten Spezifikationsprozess im Algorithmus hinterlegt werden, bevor die ASS „ihre Arbeit aufnimmt“.

Eine erste Kernforderung aus Beschäftigtensicht lautet daher ganz logisch: Kein ASS darf das Potenzial haben, im Rahmen seines „Lernens“ den eigenen Ausgangsalgorithmus zu verändern. Wenn ein Algorithmus sich selbst zur Eigenveränderung ermächtigen könnte, wäre eine soziale Gestaltung aushebelbar.

 

These 3 Gestaltung durch den Betriebsrat

Der Umbau zum vollständigen Erreichen eines ganzheitlich digitalen Wirtschaftens wird noch einige Zeit benötigen. Doch die ersten Schritte finden bereits jetzt in Form von noch isolierten Einzelprojekten in den Betrieben statt. Die Einführung flexibler mobiler Personalplanung, die Verwendung „intelligenter“ Brillen oder Handschuhe, die Nutzung von Datenchips in Materialteilen (CPS Cyber Physical Systems, RFID-Tags), die Hand-in-Hand-Arbeit von Mensch und humanoidem Roboter, die Anwendung von Cloud-Lösungen und komplexer Software, die den virtuellem Arbeitsraum automatisieren kann, können als Beispiele aktueller Praxis gelten. Bei der Einführung neuer technikgestützter Arbeitsabläufe sind Betriebsräte gefordert, mit bestehenden Mitbestimmungsmöglichkeiten gestaltend einzugreifen und mitzuwirken. Dabei stehen gängige Aspekte wie Arbeitsorganisation, Arbeitszeit, Erreichbarkeit und Verfügbarkeit, Arbeitsschutz, Gesundheitsprävention, Datenschutz, Technikgestaltung etc. zunächst im Vordergrund. Davon ausgehend beschleunigt sich der innere Umbau des Betriebes und der Wandel der Arbeitswelt hin zu „Arbeit 4.0“. Von hier aus nimmt die Entwicklung Fahrt auf in Richtung der komplexen, flexiblen Wertschöpfungsketten. Aus dem Blickwinkel der sozialen Gestaltung von „Industrie 4.0“ sollte es gelingen, sowohl mit der erfahrenen Haltung der Gegenwart wie auch zugleich mit dem vorausschauenden Blick des Jahres 2020 rückwärts auf das Heute zu handeln.