Etwas Nachdenkliches zur derzeitigen Diskussion um die sogenannte „Künstliche Intelligenz“ – Ein Kommentar

Immer wieder begegnet uns in der Debatte um jene neue Stufe der Digitalisierung der Arbeitswelten der Begriff „Künstliche Intelligenz“. Diese sogenannte „Intelligenz“ ist keine Intelligenz, wie wir den Begriff bislang verwendet haben. Intelligenz entsteht durch Erfahrung, durch die Aneignung und das Bewerten von Informationen, durch das Sammeln von Wissen, durch Gefühle, durch Bewusstsein, durch Ethik und Moral, durch Gespräche, durch Lernen und vieles mehr. Intelligenz ist ein ganzheitlicher sozialer und kultureller Begriff, der den ganzen Menschen ergreift. Nicht umsonst gibt es auch die „emotionale Intelligenz“.

Der Begriff Intelligenz ist ähnlich wie das Wort Lernen etwas, das durch die Anwendung aller Sinnesorgane erwächst. Dazu gehört nicht nur das Hören und das Sehen, sondern auch das Tasten, Riechen, Schmecken, Fühlen. Wer sich nur vor dem Bildschirm aufhält, reduziert seine Sinneswahrnehmungen vor allem auf Hören und Sehen. Wer nur Computerarbeit leistet, beginnt in seinen Wahrnehmungen zu verkümmern. Vergleichbares geschieht mit Intelligenz. Wer sie nicht vielseitig kommunikativ fordert, sie nicht mit allen Sinnen praktiziert, erwirbt ein verringertes Format von Intelligenz. Aus dieser Perspektive ist „Künstliche Intelligenz“ keine Intelligenz. „KI“ ist ein mathematisches und mathematisierendes Werkzeug. Es ist brillant gemacht und notwendig. Den IT‘lerinnen und IT’lern gebührt dafür Respekt. Diese neue Stufe der Digitalisierung benötigen wir für Fortschritte im Klimaschutz, für die Steigerung der Material- und Energieeffizienz, in der vorausschauenden Wartung, in der Medizin etc. Aber es hat nichts mit Denken, nichts mit Lernen zu tun. „KI“ ist kein „Ich“ und hat kein „Ich“.

Um die sogenannte „KI“ als mathematisches Werkzeug klug nutzen zu können, bedarf es eines guten fachlichen Dialoges zwischen Technik und Sozialem, zwischen Technikwissenschaft sowie Informatik auf der einen Seite und Sozial- und Gesellschaftswissenschaften auf der anderen Seite. Dieser Dialog muss fachübergreifend also interdisziplinär ablaufen. Doch hier beginnen die Schwierigkeiten. Viele technikbegeisterte Männer betrachten die Auseinandersetzung mit den nichttechnischen Erfahrungswelten als unnötig und überflüssig. Sie halten ihr „KI“-Wissen für höherwertig und für allein richtunggebend. Dabei begehen sie einen erheblichen Denkfehler: Eine übergroße Zahl der in der sogenannten „KI“-Debatte verwendeten Schlüsselbegriffe sind den Sozial- bzw. Gesellschaftswissenschaften entnommen. Dies zeigt eine kleine Auswahl: Teile der Informatik haben sich diese Begriffe angeeignet, haben sie inhaltlich gebrochen und sie danach mit einseitig informationstechnischem Inhalt aufgefüllt. Das wäre dann legitim, wenn dies aus einem lebendigen Dialog mit den Gesellschaftswissenschaften geschähe. Doch das Gegenteil ist der Fall.

Die „KI“-Seite bezeichnet eine mathematische Datenverarbeitung als „Lernen“. Wer sich lernpädagogisch um junge Menschen in den Berufsschulen bemüht, um diesen einen Einstieg in die digital-gestützten Arbeitswelten zu ermöglichen, wird über eine solche Begriffsverwendung eher entsetzt sein. Zweifellos benötigen wir einen rascheren Einstieg in die neue Stufe der Digitalisierung (algorithmische Steuerungs- und Entscheidungssysteme). Wir brauchen Qualifizierung und gute Anwendungen. Wer den Wandel aber einseitig technikzentriert vorantreibt und die gesellschaftswissenschaftliche Seite ausgrenzt, will keinen Erfolg für viele sondern nur Dominanz für wenige.

Wir brauchen mutige Frauen und Männer aus der Informatik, die zum fachlichen interdisziplinären Dialog mit den Gesellschaftswissenschaften bereit sind. Wir benötigen mutige Frauen und Männer aus den Gesellschaftswissenschaften, die zum fachlichen interdisziplinären Dialog mit der Informatik und der Mathematik bereit sind. Nur so wird die erhoffte „vertrauensvolle KI“ eine wirkliche Chance bekommen. Eine soziale und human gestaltete „KI“-Arbeitswelt wird nur gelingen, wenn die soziale nichttechnische Forschung auf gleicher Augenhöhe einbezogen ist.

 

Zum Stand der FST-Diskussion: Ein aktueller Beitrag zum Nachlesen

Soziale Gestaltung der sogenannten „Künstlichen Intelligenz“:
Das FST-Projekt „Der mitbestimmte Algorithmus“

Das „Forum Soziale Technikgestaltung“ (FST) hat eine Reihe zusätzlicher Impulse und Gedanken entwickelt, wie die sogenannte „Künstliche Intelligenz“ sozial, ethisch und rechtlich gestaltet werden sollte. Einen Überblick über den Stand der Überlegungen vermttelt ein jetzt neu veröffentlichter Text. Der vom Leiter des FST verfasste Beitrag ist in dem soeben erschienenen Online-Magazin „DENK-doch-MAL“ veröffentlicht. „DENK-doch-MAL“ wird gemeinsam vom IG Metall Vorstand und von der ver.di Bundesverwaltung getragen. Der IG Metall-Vorsitzende Jörg Hoffmann hat die presserechtliche Verantwortung. Die betreuende lektorierende Redaktionsarbeit liegt in den kompetenten Händen von Bernd Kaßebaum und dem „DENK-doch-MAL“-Team. Ihnen sei für die gute Zusammenarbeit besonders gedankt.

Der FST-Beitrag „Der mitbestimmte Algorithmus“ – Ein erweiternder Ansatz zur Gestaltung der sogenannten „Künstlichen Intelligenz“ geht auf folgende Aspekte ein:

  • Dreißig Jahre „Forum Soziale Technikgestaltung“
  • Ein klärend helfender Begriff: „Nachholende Digitalisierung“
  • Kritik des unzureichenden Begriffes „Künstliche Intelligenz“
  • Ein notwendiger neuer Begriff: „Delegationstechnik“
  • Ein korrigierender Begriff: „Algorithmisches Steuerungs- und Entscheidungssystem“
  • Ein überraschender Begriff: „Sich selbst verändernde Software-Werkzeuge“
  • Ein unabdingbarer Begriff: „Antizipierende vorausschauende Arbeitsgestaltung“
  • Ein zusätzlicher Praxisbegriff: „Moderierte Spezifikationsdialoge“
  • Etablierung von belastbaren Erfahrungsdiskursen

Der Text ist frei zugänglich unter dem Link 

 

FST-Dialogreihe „Der mitbestimmte Algorithmus“

Rückblick auf die acht öffentlichen Jubiläumsveranstaltungen anlässlich „Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“ im Oktober und November 2021

Seit den Jahren 2015/2016 befasst sich das „Forum Soziale Technikgestaltung“ (FST) intensiv mit der Frage der Gestaltbarkeit von digitalen Software-Werkzeugen, die man mit den Begriffen „Autonome Software-Systeme“ (ASS) oder „Algorithmische Steuerungs- und Entscheidungssysteme“ bezeichnen kann. In der politischen Marketing-Sprache wird gerne von „Künstlicher Intelligenz“ („KI“) gesprochen. Um die Gestaltung der sogenannten „Künstlichen Intelligenz“ aus Sicht von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, von Frauen und Männern in Betriebs- und Personalräten sowie anderen Modellen der Beschäftigtenvertretung zu erleichtern, wurde aus dem FST heraus das Projekt „Der mitbestimmte Algorithmus“ gestartet. Dreißig Kriterien der sozialen Gestaltung und Zulassung algorithmischer Systeme wurden beraten und präsentiert.

Anlässlich des Jubiläums „Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“ wurden acht Dialog-Veranstaltungen vorbereitet, in denen die FST-Inhalte sowohl der gewerkschaftlichen Seite wie auch Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft, Technik, Forschung und Wirtschaft vorgestellt wurden. Folgende Dialoge wurden anberaumt:

  1. Onlineabend am 5. Oktober 2021 für den Auftakt eines neuen Projektes mit dem Leitmotiv „Betriebsräte gestalten ,intelligente‘ Technologien“. Eine gemeinsame Veranstaltung der IG Metall Heidelberg, des „Forum Soziale Technikgestaltung“, des Betriebsräte-Netzwerkes ZIMT -– anlässlich „Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“. Auftakt des Projektes „PROTIS-BIT – PROaktive Transferierbare InnovationsStrategien von Betriebsräten zur Beschäftigungssicherung auf der Basis ,Intelligenter‘“ Technologien – Empirische Studie zu Entwicklungspotenzialen und Gestaltungskompetenzen von Betriebsräten“ (gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung).
  2. Offizielle Jubiläumsveranstaltung des DGB Baden-Württemberg am 13. Oktober 2021 zu „Dreißig Jahre „Forum Soziale Technikgestaltung“ mit dem Titel „Zukunft Mitbestimmung 2025 – Von der Mitbestimmung über die Anwendung der Technik zur Mitbestimmung in der Gestaltung der Technik“.
  3. Eine Veranstaltung der „Allianz Industrie 4.0 Baden-Württemberg“ in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk „Forum Soziale Technikgestaltung“ (FST) und dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA sowie mit dem von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Projekt „PROTIS-BIT“ anlässlich des Jubiläums „30 Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“ (1991–2021) am 19. Oktober 2021. Titel: „KI zwischen Mythos und Realität: Gestaltungshorizonte und Gestaltungspotenziale für algorithmische Entscheidungssysteme in Unternehmen und betrieblichen Arbeitswelten – Workshop für betriebliche Anwenderinnen und Anwender“.
  4. Fachdialog „Ethische und soziale Kriterien zur Gestaltung algorithmischer Steuerungs- und Entscheidungssysteme“ am 27. Oktober 2021. Ein Dialog zwischen dem „Forum Soziale Technikgestaltung“ (FST), dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und Cyber Valley anlässlich „Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“.
  5. „IST DIE „ KÜNSTLICHE INTELLIGENZ “ DIE INTELLIGENZ DER ZUKUNFT ? Der Mensch im Mittelpunkt“. Eine gemeinsame Veranstaltung des Fritz-Erler-Forums / Friedrich-Ebert-Stiftung Baden-Württemberg, der Evangelischen Kirchengemeinde Rottweil und des „Forum Soziale Technikgestaltung“ beim DGB Baden-Württemberg – unterstützt vom Netzwerk „Sozialer Zusammenhalt in digitaler Lebenswelt“ – Eine Tagung am 29. und 30. Oktober 2021 anlässlich „Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“.
  6. Online-Vortrag „Zur Demokratisierung des Algorithmus“ in der Reihe „Arbeitswelt trifft Philosophie – Philosophie trifft Arbeitswelt“ am 18. November 2021 anlässlich „Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“.
  7. Online-Tagung am 24. und 25. November 2021 mit dem Thema „Der demokratisierte Algorithmus – 30 Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“. Gemeinsam veranstaltet vom Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt KDA, von der Evangelischen Akademie Bad Boll und vom „Forum Soziale Technikgestaltung.
  8. Veranstaltung „Wenn Algorithmen schnell gut wirken sollen. Impulse für neue sozialpartnerschaftliche Aushandlungsmodelle zur beschleunigten Einführung algorithmischer Systeme“ am 30. November 2021. Ein gemeinsamer Dialog-Workshop von Baden-Württemberg: connected und „Forum Soziale Technikgestaltung“ (FST) anlässlich „Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“. (Dieser Workshop wurde pandemiebedingt in das Jahr 2022 verschoben.)

Ein genauerer Programm-Überblick ist zu finden in der pdf-Datei siehe Link.  

 

Dokumentation der DGB-Jubiläumsveranstaltung „Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“

Bei der offiziellen DGB-Jubiläumsveranstaltung zu „Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“ mit dem Thema: „Zukunft Mitbestimmung 2025 – Von der Mitbestimmung über die Anwendung der Technik zur Mitbestimmung in der Gestaltung der Technik“ am 13. Oktober 2021 im Willi-Bleicher-Haus Stuttgart wurden mehrere Vorträge gehalten, die hier zugänglich gemacht und dokumentiert werden:

Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung beim DGB Baden-Württemberg
Martin Kunzmann, Vorsitzender des DGB Baden-Württemberg

Der „mitbestimmte Algorithmus“ – Von der Mitbestimmung über die Anwendung der Technik zur Mitbestimmung in der Gestaltung der Technik
Welf Schröter, Leiter des Forum Soziale Technikgestaltung, Mitbegründer der Allianz Industrie 4.0 Baden-Württemberg, Projekt PROTIS-BIT

Die Zukunft der Mitbestimmung in der digitalen Transformation
Dr. Constanze Kurz, Gesamtbetriebsrat Robert Bosch GmbH Stuttgart

Rahmen-Dienstvereinbarung zur Digitalisierung und Verwaltungstransformation am Beispiel der Landeshauptstadt Stuttgart
Claudia Häussler, Vorsitzende des Gesamtpersonalrats Landeshauptstadt Stuttgart, Chris Purz, Mitglied des Gesamtpersonalrats Landeshauptstadt Stuttgart

Das japanische Regierungskonzept „Society 5.0“
Dr. Martin Pohl, Counsellor an der Deutschen Botschaft in Tokio (online aus Tokio zugeschaltet)

Gewerkschaftliche Interventionen in die Transformation der baden-württembergischen Automobilindustrie
Kai Burmeister, IG Metall Bezirk Baden-Württemberg

Die Nutzung dieser Dateien für kommerzielle Zwecke ist untersagt.

 

Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung – Rede von Martin Kunzmann

Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung beim DGB Baden-Württemberg
Rede von Martin Kunzmann, Vorsitzender des DGB Baden-Württemberg

Jubiläumsveranstaltung „Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“ mit dem Titel „Zukunft Mitbestimmung 2025 – Von der Mitbestimmung über die Anwendung der Technik zur Mitbestimmung in der Gestaltung der Technik“ am 13. Oktober 2021 im Willi-Bleicher-Haus in Stuttgart

Es ist ein besonderes Jubiläum, zu dem ich Sie und Euch heute herzlich willkommen heiße, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir feiern heute „Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“ beim DGB Baden-Württemberg. Es ist ein Jubiläum der Würdigung und der Wertschätzung aller ehrenamtlicher Kolleginnen und Kollegen, die das Netzwerk über 30 Jahre getragen haben. Und es ist ganz wesentlich dein Jubiläum, lieber Welf. Du bist Ideengeber, Organisator, Gesicht und Stimme des FST! Danke für diese herausragende Leistung!

Dreißig Jahre Technikgestaltung sind dreißig Jahre der Auseinandersetzung mit der Digitalisierung der Arbeitswelten. Gemessen an der Geschwindigkeit, mit der sich die Digitalisierung weiterentwickelt, ist es eine Epoche. Das zeigt schon das Spannungsfeld auf: Was ist das Wissen heute noch wert, das sich ein Programmierer 1991 angeeignet hat? Wie können die Beschäftigten ein ganzes Arbeitsleben lang Schritt halten mit der technischen Entwicklung? Die Gewerkschaften sind nicht technikfeindlich.

Wir verstehen uns als Teil der Lösung, nicht des Problems. Das gilt für die Gestaltung der sozial-ökologischen Transformation genauso wie für die Digitalisierung. Aber wir haben ganz klare Anforderungen: Der Mensch muss an erster Stelle stehen. Die Technik ist lediglich ein Instrument, um Arbeit zu verbessern. Sie ist kein Selbstzweck. Genau das ist die Kernaufgabe und das Selbstverständnis des Forums: Im Geiste der Humanisierung der Arbeit rückt es die Würde des Menschen ins Zentrum des technologischen Wandels: die der Beschäftigten genauso wie die der Erwerbssuchenden. Das ist auch eine Frage der Ethik! Damit bildet das FST einen Gegenpol zu den Mark Zuckerbergs und Elon Musks dieser Welt!

Die umfangreichen Leistungen des „Forum Soziale Technikgestaltung“ haben den Frauen und Männern in Betriebs- und Personalräten, in Belegschaften und Gewerkschaften neue Wege aufgezeigt, wie Menschen den digitalen Umbau ihrer Berufs- und Lebenswelten nach ihren Interessen beeinflussen und verbessern können. Dabei galt und gilt ein Leitmotiv, auf das du, lieber Welf, sehr zu recht großen Wert legst: Technische Innovationen sind nur dann wirklich dauerhaft erfolgreich, wenn sie mit sozialen Innovationen verknüpft sind.

Hard- und Software stellen als sogenannte „harte technische Faktoren“ des Wandels nur ungefähr fünfzig Prozent der Erfolgschancen dar. Die anderen fünfzig Prozent werden von den „weichen, nichttechnischen Faktoren“ gebildet. Letztere sind die entscheidenden Punkte für das Gelingen einer tatsächlichen Innovation. Eine Datenbank kann noch so ausgefeilt sein, wenn sie nicht benutzerfreundlich ist, wird sie links liegen gelassen.

Die Motivierung der Menschen, ihre Qualifizierung, ihr Wunsch nach sozialer Sicherheit, ihre Forderung nach Gleichberechtigung, ihr Streben nach Anerkennung, Ihre Lebensplanung, ihr Ringen um Selbstbestimmung gehören mitten hinein in die Technikdebatte. Der Schlüssel zum Erfolg einer Innovation liegt nicht primär in der Einführung der Technik. Es ist vielmehr die Ermutigung der Menschen, die Prozesse in Gang setzt.

Genau das ist eure Kompetenz, liebe FSTler*innen. Ihr ermutigt, beratet und begleitet Kolleginnen und Kollegen, die mit diesen Fragestellungen konfrontiert sind. Auch in Berlin wird eure Arbeit gewürdigt. Ich zitiere aus der Grußadresse des DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann:

Als das „Forum Soziale Technikgestaltung“ (FST) am 7. Oktober 1991 im Stuttgarter Gewerkschaftshaus, dem heutigen „Willi-Bleicher-Haus“, gegründet wurde, trafen sich 120 Frauen und Männer aus Beschäftigtenvertretungen und Gewerkschaften. Über dreißig Jahre hinweg ist die Zahl auf über 4.650 Frauen und Männer aus Betriebs- und Personalräten sowie aus Belegschaften angewachsen. Kolleginnen und Kollegen aus Produktion und Dienstleistung, aus Verwaltung und Handwerk, aus Bildungs- und Sozialträgern, aus Kirchen und Wissenschaften führen Erfahrungs- und Fachwissen im Netzwerk zusammen. Dafür gilt dem Initiator, Mitbegründer und Leiter des „Forum Soziale Technikgestaltung“, dem Kollegen Welf Schröter, großer Dank und Anerkennung. Er steuert moderierend das Netzwerk immer wieder nach vorne in die aktuellen technologischen Herausforderungen. (Zitat-Ende)

Teil dieser Moderation waren die Einladungen an Gäste, an wissenschaftlich nahestehende Freundinnen und Freunde wie an politische Kontrahenten. So diskutierten im Forum unter anderem Joseph Weizenbaum vom Massachusetts Institute of Technology, Frieder Naschold vom Wissenschaftszentrum Berlin, Hans-Jörg Bullinger von der Fraunhofer-Gesellschaft, Menno Harms, damals Chef von Hewlett Packard, Jutta Rump vom Institut für Beschäftigung, Sabine Pfeiffer heute an der Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Zu nennen sind zudem auch Ralf Reichwald von der Technischen Universität München wie auch Dieter Klumpp von der SEL-Stiftung für Kommunikationsforschung. Der frühere Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg Berthold Huber betonte in seiner Festrede zum zehnjährigen Bestehen des FST die Rolle von Bildung im digital gestützten Wandel. Zu seinem Auftritt 2001 erschienen die früheren Bezirksleiter Gerhard Zambelli und Ernst Eisenmann. Walter Riester schrieb als Bundesminister für Arbeit eine Grußbotschaft. Die Liste der Gäste und Gespräche ließe sich noch lange, lange fortsetzen.

Das „Forum Soziale Technikgestaltung“ sucht den Dialog und findet ihn. Doch diese Debatten waren nicht von Beliebigkeit geprägt. Aus pluralen Argumentationen entstanden Handlungsempfehlungen für Beschäftigtenvertretungen. In all diesen Jahren haben die Aktiven des Forums ihre Arbeit nicht leicht gemacht. Das FST forderte sicherlich auch die Gewerkschaftsmitglieder heraus, die am eingeübten Status quo festhalten wollten. Es irritierte durch Vorschläge wie etwa die Beschleunigung der Einführung digitaler Werkzeuge, die zügige Einführung von Telearbeit, die raschere Nutzung von Cloud-Plattformen. Obwohl das FST sich eindeutig für eine sozial gestaltete Digitalisierung aussprach, warnte das Forum zugleich vor einer Technikfixierung. Denn eine einseitige Technikzentrierung schwächt die Position der Beschäftigten und die Chancen der Mitbestimmung. „Wer nur von der Technik aus denkt, hat schon den Weg zum Misserfolg eingeschlagen“, betont Welf Schröter immer wieder.

In seinem Denkpapier zur „Fortschreibung der „Innovationsstrategie 2020“ der Landesregierung von Baden-Württemberg“ äußerte Welf – ich zitiere: „Das Denken von den Menschen her und das Denken von den Prozessen her muss das technikzentrierte und produktzentrierte Denken ablösen.“

Heute im dreißigsten Jahr fordert das „Forum Soziale Technikgestaltung“ die Gewerkschaften erneut heraus. Seit rund fünf Jahren arbeitet das FST an einer neuen zusätzlichen Gestaltungsstrategie. Sie wird diskutiert unter dem Motto „Der mitbestimmte Algorithmus“. Neue digitale Möglichkeiten verlangen neue Lösungen. Ich zitiere noch einmal Reiner Hoffmann:

Heute ist der Ansatz des mehrfach ausgezeichneten „Forum Soziale Technikgestaltung“ aktueller und wichtiger denn je. Mit dem herausfordernden Projekt „Der mitbestimmte Algorithmus“ mischt sich das FST selbstbewusst in die Debatte um die Zukunft algorithmischer Steuerungs- und Entscheidungssysteme – auch „Künstliche Intelligenz“ genannt – mit eigenen Anforderungen und Kriterien ein. Das FST ist ein lernendes Netzwerk. Lernend im Sinne eines menschlichen Miteinanders und der Durchsetzung der Interessen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Erwerbssuchenden und Selbstständigen. (Zitat-Ende)

Die Kolleginnen und Kollegen im FST rufen uns auf, uns für ungewohnte Gedanken und Ansätze zu öffnen. Wir dürfen nicht hinter der Technikentwicklung herlaufen. Wir müssen den Anspruch erheben, steuernd einzugreifen. Das Projekt „Der mitbestimmte Algorithmus“ verlangt von Beschäftigtenvertretungen wie auch von den Gewerkschaften eine qualitative Erweiterung der bisherigen Interessens-, Betreuungs- und Beratungstätigkeiten. Wir müssen uns stärker einmischen. Soziale Technikgestaltung muss deutlicher im Fokus unseres Handelns liegen. Gestaltung heißt dabei, dass sich die Akteure auf gleicher Augenhöhe begegnen.

Lieber Welf, seit der Gründung im Jahr 1991 leitest Du das „Forum Soziale Technikgestaltung“. Ich will auf ein paar Punkte der vollbrachten Arbeit eingehen:

• In manchen Jahren hast Du achtzig bis hundert Vorträge in zwölf Monaten gehalten.
• In den zurückliegenden dreißig Jahren hattest Du schätzungsweise um die zweitausend öffentliche Auftritte.
• Du nimmst an nicht-öffentlichen Sitzungen von Konzern- und Gesamtbetriebsräten, von Gesamtpersonalräten, Personalräten und Betriebsräten teil.
• Du warst in Dutzenden von Technologieprojekten von Bundes- und Landesministerien, von EU und Kommunen involviert.
• Du hast weit über hundert Fachaufsätze geschrieben und mehr als anderthalb Dutzend Fachbücher herausgegeben.
• Du veröffentlichst im Blog Zukunft der Arbeit.
• Du warst mehrere Jahre E-Government-Beauftragter des DGB Baden – Württemberg.
• Du gehörtest längere Zeit dem Arbeitskreis Technologiepolitik beim DGB Bundesvorstand an.
• Du wirktest zeitweise im Gesprächskreis des Ressorts Zukunft der Arbeit beim Vorstand der IG Metall.
• Ulrike Zenke von der IG Metall Heidelberg und Du, Ihr gründeten im Jahr 2009 das regionale Betriebsrätenetzwerk ZIMT.
• Gemeinsam mit Verdi und mehreren Gesamtpersonalräten hast Du einen mehrjährigen Arbeitszusammenhang zur sozialen Gestaltung von Electronic Government und „Virtuellen Rathäusern“ initiiert.
• Im Jahr 2015 wurdest Du für das „Forum Soziale Technikgestaltung“ eigenständiges Gründungsmitglied der vom damaligen Wirtschaftsminister Nils Schmid gestarteten „Allianz Industrie 4.0 Baden-Württemberg“.
• Heute unterstützt Du das vom Bundesarbeitsministerium geförderte Netzwerk „Initiative Neue Qualität der Arbeit INQA“ und bist in den INQA-Netzwerken „Offensive Mittelstand“ sowie „Offensive Gutes Bauen“ aktiv.
• Zusammen mit Partnerinnen und Partnern aus Baden-Württemberg hast Du an der Gründung des Netzwerkes „Sozialer Zusammen in digitaler Lebenswelt“ mitgearbeitet.
• Du organisierst seit bald fünfundzwanzig Jahren den Dialog „Arbeitswelt trifft Philosophie – Philosophie trifft Arbeitswelt“.
• Gemeinsam mit zahlreichen Kolleginnen und Kollegen hast Du beziehungsweise habt Ihr das FST-Planspiel „BetriebsratsArbeit auf Basis autonomer Software.-SYsteme BABSSY“ entwickelt und in die betriebsrätliche Bildungsarbeit eingeführt.
• Seit kurzem gibt es für das „Forum Soziale Technikgestaltung“ einen eigenen Youtube-Kanal, in dem mehr als zwanzig Video- und Audio-Dateien mit aufgezeichneten Vorträgen zu finden sind.
• Vor wenigen Tagen startete am 5. Oktober das neue Betriebsratsprojekt „PROTIS-BIT“ zur Gestaltung von Algorithmen, das von der IG Metall Heidelberg, dem Betriebsräte-Netzwerk ZIMT und dem „Forum Soziale Technikgestaltung“ getragen wird. Die Hans-Böckler-Stiftung fördert das Vorhaben.

Diese Auflistung stellt noch nicht einmal alle FST-Aktivitäten der letzten dreißig Jahre dar.

Für die Tätigkeiten wurden das FST und Du mehrfach geehrt. Für seine Verdienste um den Aufbau von Kompetenz auf dem Gebiet der Technikgestaltung wurde das „Forum Soziale Technikgestaltung“ im April 2021 mit einem Anerkennungspreis der Integrata-Stiftung Tübingen im Rahmen der Verleihung des „Wolfgang-Heilmann-Preises 2021“ ausgezeichnet.

Lieber Welf, Du hast für Betriebs- und Personalräte, für Gewerkschaften und Belegschaften wahrlich Großes geleistet und leistest es noch. Im Namen des DGB Baden-Württemberg und seiner Mitgliedsgewerkschaften möchte ich Dir von ganzem Herzen meinen besonderen Dank für Deine enorme Arbeit aussprechen.

Ebenso danke ich allen Kolleginnen und Kollegen, die im „Forum Soziale Technikgestaltung“ ehrenamtlich aktiv sind und sich für Wege zu „Guter Arbeit“ einsetzen. Sie alle leisten gemeinsam wichtige Beiträge für eine bessere Arbeitswelt, für eine bessere Lebenswelt.

Die Arbeit des „Forum Soziale Technikgestaltung“ ist getrieben von dem Anspruch, die Arbeitswelt und unsere Gesellschaft humaner zu gestalten. Es geht, – um es in den Worten der Widerstandskämpferin und Architektin Karola Bloch zu sagen –, um „die Sehnsucht des Menschen, ein wirklicher Mensch zu werden“. In diesem Sinne „Glück auf!“

 

„Der mitbestimmte Algorithmus“: Übersicht über die Jubiläumsveranstaltungen „Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“

Zum Thema „Der mitbestimmte Algorithmus“ findet anlässlich des Jubiläums „Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“ (FST) eine Reihe von Veranstaltungen und Fachdialogen statt, mit denen wir unsere Kriterien zur Gestaltung neuerer digitaler Herausforderungen in der Arbeitswelt zur Diskussion stellen. Mit den neuen Herausforderungen sind jene technischen Innovationen gemeint, die als sogenannte „Künstliche Intelligenz“ bezeichnet werden. Im FST-Projekt „Der mitbestimmte Algorithmus“ verwenden wir die uns passendere Benennung „Algorithmische Steuerungs- und Entscheidungssysteme“. Die Veranstaltungen wenden sich an Frauen und Männer in Betriebs- und Personalräten und Belegschaften, an Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, an Bürgerinnen und Bürger sowie an Personen aus Arbeitgeber- und Wissenschaftszusammenhängen. Hier die Übersicht zu den Tagungen mit den Links zu den Programmangaben und den jeweils unterschiedlichen Anmeldemöglichkeiten :

Online-Veranstaltung am 5. Oktober 2021 für Betriebsräte und Beschäftigte: Einladung von IG Metall Heidelberg und „Forum Soziale Technikgestaltung“ zum Projektstart: Betriebsräte gestalten „intelligente“ Technologien. Link zum Programm.

Offizielle DGB-Veranstaltung am 13. Oktober 2021 für Kolleginnen und Kollegen aus den Gewerkschaften im DGB-Haus in Stuttgart: Einladung von DGB Baden-Württemberg und „Forum Soziale Technikgestaltung zur Tagung „Zukunft Mitbestimmung 2025“. Link zum Programm.

Einladung zur Fachveranstaltung am 19. Okt. 2021 im Haus der Wirtschaft in Stuttgart anlässlich „Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“: „KI zwischen Mythos und Realität. Gestaltungshorizonte und Gestaltungspotenziale für algorithmische Entscheidungssysteme in Unternehmen und betrieblichen Arbeitswelten“. Eine Veranstaltung der „Allianz Industrie 4.0 Baden-Württemberg“ in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk „Forum Soziale Technikgestaltung“ (FST) und dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA sowie mit dem von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Projekt „PROTIS-BIT“ anlässlich des Jubiläums „30 Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“ (1991–2021). Link zum Programm.

Einladung zum Fachdialog am 27. Oktober 2021 in Stuttgart zwischen dem „Forum Soziale Technikgestaltung“, dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und Cyber Valley anlässlich „Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“: „Ethische und soziale Kriterien zur Gestaltung algorithmischer Steuerungs- und Entscheidungssysteme“. Link zum Programm.

Einladung zur Bürger-Diskussion am 29./30. Oktober 2021 in Rottweil in der Veranstaltung des Fritz-Erler-Forums / Friedrich-Ebert-Stiftung Baden-Württemberg, der Evangelischen Kirchengemeinde Rottweil und des „Forum Soziale Technikgestaltung“ – unterstützt vom Netzwerk „Sozialer Zusammenhalt in digitaler Lebenswelt“: Der Mensch im Mittelpunkt: IST DIE ,KÜNSTLICHE INTELLIGENZ‘ DIE INTELLIGENZ DER ZUKUNFT? Link zum Programm.

Einladung zum Online-Vortrag „Zur Demokratisierung des Algorithmus“ in der Reihe „Arbeitswelt trifft Philosophie – Philosophie trifft Arbeitswelt“ am 18. November 2021 im Rahmen der UNESCO-Aktion „Lange Nacht der Philosophie“ in Kooperation mit der „Langen Nacht der Philosophie Zürich“ – Eine Veranstaltung im Rahmen des Jubiläums „Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“ (1991-2021). Link zum Programm und zur Anmeldung.

Einladung zur Tagung für Betriebs- und Personalräte am 24. bis 25. November 2021 in der Evangelischen Akademie Bad Boll: Der demokratisierte Algorithmus – 30 Jahre „Forum Soziale Technikgestaltung“. Link zum Programm und zur Anmeldung.

Einladung zum Fachdialog „Wenn Algorithmen schnell gut wirken sollen. Impulse für neue sozialpartnerschaftliche Aushandlungsmodelle zur beschleunigten Einführung algorithmischer Systeme“. Ein gemeinsamer Dialog-Workshop von Baden-Württemberg: connected und „Forum Soziale Technikgestaltung“ anlässlich „Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“ am 30. November 2021 im Haus von Baden-Württemberg: connected in Stuttgart. Programm und Anmeldung.

Seien Sie willkommen! Jeweilige Anmeldung vorab ist erforderlich.

Zum Jubiläum „Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“: Grußadresse des DGB-Bundesvorsitzenden Reiner Hoffmann an die Mitglieder des Netzwerkes „Forum Soziale Technikgestaltung“

Liebe Kolleginnen und Kollegen des gewerkschaftlichen Netzwerkes „Forum Soziale Technikgestaltung“ beim DGB Baden-Württemberg,
lieber Welf,

was für eine große ehrenamtliche Leistung: Das „Forum Soziale Technikgestaltung“ wird 30 Jahre alt! Seit dreißig Jahren setzt Ihr Euch für eine Humanisierung digitaler Arbeitswelten ein. Ich möchte Euch im Namen des DGB Bundesvorstandes meinen Dank für Euer Engagement ausdrücken. Ihr habt den Menschen ins Zentrum eines weitreichenden technologischen Wandels gestellt. Ihr setzt Euch für die humane, soziale, ethische und ökologische Gestaltung von Arbeits- und Lebenswelten in Vielfalt ein. Das verdient hohen Respekt und ist zugleich Ermutigung für die Zukunft. Ihr wart und seid Vorreiter in der Gestaltung neuer Online-Arbeitsprozesse. Und diese Fragen werden in den nächsten Jahren noch deutlich an Bedeutung gewinnen.

Als das „Forum Soziale Technikgestaltung“ (FST) am 7. Oktober 1991 im Stuttgarter Gewerkschaftshaus, dem heutigen „Willi-Bleicher-Haus“, gegründet wurde, trafen sich 120 Frauen und Männer aus Beschäftigtenvertretungen und Gewerkschaften. Über dreißig Jahre hinweg ist die Zahl auf über 4.650 Frauen und Männer aus Betriebs- und Personalräten sowie aus Belegschaften angewachsen. Kolleginnen und Kollegen aus Produktion und Dienstleistung, aus Verwaltung und Handwerk, aus Bildungs- und Sozialträgern, aus Kirchen und Wissenschaften führen Erfahrungs- und Fachwissen im Netzwerk zusammen. Rechnet man den demografischen Wandel, die Zugänge und altersbedingten Rückzüge hinzu, so waren in diesem Forum über den genannten Zeitraum rund 8.000 Menschen aktiv. Das ist eine stolze Bilanz. Dafür gilt dem Initiator, Mitbegründer und Leiter des „Forum Soziale Technikgestaltung“, dem Kollegen Welf Schröter, großer Dank und Anerkennung. Er steuert moderierend das Netzwerk immer wieder nach vorne in die aktuellen technologischen Herausforderungen.

Die Gründung des FST wurde von dem damaligen DGB-Landesvorsitzenden Siegfried Pommerenke, dem damaligen IG Metall- Bezirksleiter Walter Riester, dem damaligen Vorsitzenden der GEW Baden-Württemberg Rainer Dahlem und von der damaligen ÖTV-Vorsitzenden Monika Wulf-Mathies unterstützt. Zu den späteren besonderen Vortragsgästen zählten u. a. die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Joseph Weizenbaum, Frieder Naschold, Hajo Braczyk, Hans-Jörg Bullinger, Jutta Rump, Ortwin Renn, Sabine Pfeiffer, Ralf Reichwald, Kira Stein und Constanze Kurz. Zum zehnjährigen Bestehen hielt Berthold Huber, der damalige Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg, die Festrede.

Heute ist der Ansatz des mehrfach ausgezeichneten „Forum Soziale Technikgestaltung“ aktueller und wichtiger denn je. Mit dem herausfordernden Projekt „Der mitbestimmte Algorithmus“ mischt sich das FST selbstbewusst in die Debatte um die Zukunft algorithmischer Steuerungs- und Entscheidungssysteme – auch „Künstliche Intelligenz“ genannt – mit eigenen Anforderungen und Kriterien ein. Das FST ist ein lernendes Netzwerk. Lernend im Sinne eines menschlichen Miteinanders und der Durchsetzung der Interessen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Erwerbssuchenden und Selbstständigen. Dabei gilt das unveränderliche Leitmotiv, dass Technik dem Menschen zu dienen habe und nicht umgekehrt.

Ich wünsche allen Beteiligten des „Forum Soziale Technikgestaltung“ auch weiterhin viel Kraft, Mut und Erfolg. Ich danke Euch sehr für Eure Arbeit, die auch andere zu ermutigen vermag.

Mit herzlichen Grüßen
Reiner Hoffmann
Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes
September 2021

 

Einladung zur Tagung für Betriebs- und Personalräte „Der demokratisierte Algorithmus“

Einladung zur Tagung „Der demokratisierte Algorithmus“ – 30 Jahre „Forum Soziale Technikgestaltung“ am 24. bis 25. November 2021 in der Evangelischen Akademie Bad Boll

Im Prozess der digitalen Veränderungen der Arbeitswelt müssen Perspektiven immer wieder neu überprüft werden. Die Fachtagung zum Jubiläum des Netzwerks „Forum Soziale Technikgestaltung“ bietet dazu sozialwissenschaftliche Expertise und reichlich Gelegenheit zur gemeinsamen Diskussion. Die Soziologin Prof. Dr. Sabine Pfeiffer zeigt im Eröffnungsvortrag, wie ökonomische Beweggründe die digitalen Veränderungen antreiben: „Digitalisierung als Distributivkraft – Über das Neue am digitalen Kapitalismus“. Welf Schröter analysiert in seinem Beitrag die Fragen: Wo stehen wir im Projekt „Der mitbestimmte Algorithmus“? Wie gelingt die partizipative Mitwirkung von Beschäftigten? Wie geht der Weg weiter zum „Demokratisierten Algorithmus“? Dr. Bettina-Johanna Krings vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse vermittelt in ihrem Beitrag Einblicke aus einem aktuellen Projekt zu ethischen Kriterien bei der Gestaltung von „Künstlicher Intelligenz“. – Die Jubiläumstagung will vor allem Betriebs- und Personalräte zur Diskussion einladen und Impulse vermitteln, wie das Ziel einer mitbestimmten und demokratisierten Arbeitswelt vorangebracht wird.

Link zum Tagungsflyer und Link zur Programm-WebSite der Evang. Akademie Bad Boll

Programm

Mittwoch, 24. November 2021

13:00 Uhr Ankunft in der Evangelischen Akademie Bad Boll, Zimmerbezug, Willkommenskaffee

14:00 Uhr Einführung Auf dem Weg zum „demokratisierten Algorithmus“ – 30 Jahre „Forum Soziale Technikgestaltung“ – Partner der Evangelischen Akademie Bad Boll
Begrüßung durch Karl-Ulrich Gscheidle, Wirtschafts- und Sozialpfarrer Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (KDA)

14:15 Uhr Vortrag Digitalisierung als Distributivkraft – Über das Neue am digitalen Kapitalismus
Prof. Dr. Sabine Pfeiffer, Lehrstuhl für Soziologie (Technik-Arbeit-Gesellschaft), Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

15:00 Uhr Rückfragen

15:15 Uhr Vortrag Zukunft der Arbeit und Erweiterung der Mitbestimmung: Das Projekt „Der mitbestimmte Algorithmus“ des „Forum Soziale Technikgestaltung“
Welf Schröter, Mitbegründer und Leiter des „Forum Soziale Technikgestaltung“, Mitbegründer der „Allianz 4.0 Baden-Württemberg“, Projekt PROTIS-BIT, Projekt „KARL“, Redaktion „Latenz“

16:00 Uhr Rückfragen

16:15 Uhr Kaffeepause

16:45 Uhr Parallele Arbeitsgruppen
Arbeitsgruppe 1: Digitaler Kapitalismus (Karl-Ulrich Gscheidle)
Arbeitsgruppe 2: Der mitbestimmte Algorithmus (Welf Schröter)

18:00 Uhr Abendessen

19:30 Uhr Erinnerungen an dreißig Jahre „Forum Soziale Technikgestaltung“
Im Gespräch mit Welf Schröter und den Gästen Ulrike Zenke (IG Metall Heidelberg, Mitbegründerin des Betriebsräte-Netzwerkes ZIMT) und Michael Schwemmle (damals Deutsche Postgewerkschaft, dann ver.di und langjähriger Geschäftsführer der Input Consulting). Moderation: Karl-Ulrich Gscheidle

Donnerstag, 25. November 2021

08:00 Uhr Morgenimpuls

08:20 Uhr Frühstück

09:00 Uhr Einführung in den Tag – Ergebnisse der Diskussionen vom Vortag
Karl-Ulrich Gscheidle, Welf Schröter

09:20 Uhr Ethische Kriterien zur Gestaltung der „Künstlichen Intelligenz“
Dr. Bettina-Johanna Krings, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS), Projekt „KARL“

09:50 Uhr Rückfragen

10:00 Uhr Parallele Arbeitsgruppen (Fortsetzung)

10:45 Uhr Kaffeepause

11:00 Uhr Fortsetzung der Arbeitsgruppen

11:45 Uhr Abschlussplenum – Ergebnisse der Tagung (Karl-Ulrich Gscheidle, Welf Schröter)

12:30 Uhr Mittagessen / Ende der Tagung

Bitte melden Sie sich bis spätestens 5. November 2021 an unter Link zur Anmeldung
Sie erhalten eine Anmeldebestätigung.

Gesamtpreis/Person: Bei Unterbringung im Einbettzimmer 130,00 €, bei Unterbringung im Zweibettzimmer 112,00 €. Ohne Übernachtung und Frühstück 63,00 €. In allen Preisen ist die gesetzliche Mehrwertsteuer enthalten. Kosten für nicht eingenommene Mahlzeiten werden nicht erstattet. Gäste ohne Übernachtung zahlen das Frühstück an der Rezeption.

 

Veranstaltungen anlässlich „Dreißig Jahre Forum Soziale Technikgestaltung“

Seit nunmehr dreißig Jahren besteht das Netzwerk „Forum Soziale Technikgestaltung“ (FST) beim DGB Baden-Württemberg. Der Schritt zur Gründung im Herbst 1991 war eine soziale Innovation. Ein horizontales Netzwerk mit ganzheitlichem Ansatz wollte und will die Gestaltungskompetenz der Frauen und Männer in Betriebs- und Personalräten, in Vertrauensleutegremien und Belegschaften stärken. Aus den 120 Gründungsbeteiligten erwuchs eine Community mit heute mehr als 4.600 Personen. Kompetent, interessengeleitet und zielgerichtet mischen sich Kolleginnen und Kollegen in die Technikentwicklung und Technikimplementierungen ein. Statt Fremdbestimmung und Entlassungen soll die Humanisierung der Arbeitswelten und die Beschäftigungssicherung mitbestimmt voran gebracht werden.

Im Zeitraum von Februar bis Juni 2021 finden eine Reihe von öffentlichen Onlineveranstaltungen mit zahlreichen Partnerinnen und Partnern statt. Nach der Sommerpause folgen mehrere Tagungen in Präsenz. Interessierte sind freundlich eingeladen und werden gebeten, sich anzumelden. Werfen Sie einen Blick ins Programm, wählen Sie aus und seien Sie willkommen.

Link zum Programm: (FST-Jubiläumsprogramm_Teil_A_Februar_bis_Juni_2021)

 

Ja zum „HomeOffice“ – Nein zum Abbau sozialer Standards

Die derzeitige Pandemie und ihre arbeitsweltlichen Folgen haben das Thema der IT-gestützten Arbeit von zuhause wieder in die Öffentlichkeit zurückgeholt. Die früher als „Mobiles Arbeiten“ oder als „Alternierende Telearbeit“ bezeichnete Variante der Arbeitsorganisation trägt heute den Namen „HomeOffice“ oder gar „Hybrides Arbeiten“. Der Inhalt dessen, was heute unter dem Begriff „HomeOffice“ läuft, hat eine lange und heftig umkämpfte Vorgeschichte. Das „HomeOffice“ ist nicht durch oder wegen Corona entstanden. Seit Anfang bzw. Mitte der neunziger Jahre haben sich Kolleginnen und Kollegen aus Betriebs- und Personalräten, aus Vertrauensleutekörpern und Gewerkschaften für dieses neue Modell der Arbeitsorganisation stark gemacht. In jahrelangen Auseinandersetzungen zwischen Geschäftsleitungen und Beschäftigtenvertretungen, zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften wurden mühsam feste Rahmenbedingungen und soziale Standards in Betriebs- und Dienstvereinbarungen errungen.

Hilfreich ist ein Blick in die Verordnung über Arbeitsstätten (Arbeitsstättenverordnung – ArbStättV). Dort heißt es in § 2 Begriffsbestimmungen unter anderem: „(7) Telearbeitsplätze sind vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten, für die der Arbeitgeber eine mit den Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat. Ein Telearbeitsplatz ist vom Arbeitgeber erst dann eingerichtet, wenn Arbeitgeber und Beschäftigte die Bedingungen der Telearbeit arbeitsvertraglich oder im Rahmen einer Vereinbarung festgelegt haben und die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar, Arbeitsmitteln einschließlich der Kommunikationseinrichtungen durch den Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Person im Privatbereich des Beschäftigten bereitgestellt und installiert ist.“ Siehe ArbStättV.

Unter der falschen Parole der „Neuen Normalität“ („The New Normal“) wird von interessierter Seite der Eindruck erweckt, das „HomeOffice“ sei völlig neu und nichts habe vorher existiert. Mit dieser sprachlichen Wendung wollen manche Akteure sich um die Pflichten der errungenen Standards drücken, um die Kosten zu senken. Das klassische Beispiel ist die bereits vereinbarte Gleichstellung des außerbetrieblichen mit dem betrieblichen Arbeitsplatz. Mit anderen Worten: So wie ein Unternehmen bzw. eine Verwaltung in Betriebsräumen oder Büros die IT-Infrastruktur selbstverständlich zur Verfügung zu stellen hat, so gilt dies auch für den Arbeitsplatz zuhause. Die IT-Infrastruktur für die Arbeit zuhause ist Sache des Arbeitgebers. Es kann nicht sein, dass Arbeitnehmerrinnen und Arbeitnehmer aus lauter „Dankbarkeit“ für das „HomeOffice“ sich die Geräte auf eigene Kosten zulegen. Diese „Neue Normalität“ ist ein Rückschritt und ein vorsätzliches Abrücken von bereits rechtlich akzeptierten Standards.

Das „HomeOffice“ bietet die Chancen für mehr Selbstbestimmung in der Arbeit und für individuelle Zeitsouveränität im Rahmen ergebnisorientierter Zielvereinbarungen. Das „HomeOffice“ darf kein Baustein für den Abbau von Rechten sein. „HomeOffice“ – ja, selbstverständlich. Aber zu den vereinbarten Standards.

Weitere Informationen dazu finden sich in diesem Blog unter den Links: